
© dpa/AP/Natacha Pisarenko
Krieg in der Ukraine: Selenskyj erinnert an Schicksal der Kinder, Raketen treffen Westukraine – die Lage im Überblick
Beim Angriffskrieg Russlands sind nach ukrainischen Angaben bislang mindestens 243 Kinder getötet worden. Russische Truppen rücken weiter vor. Der Überblick.
Stand:
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in eine Videoansprache an das Schicksal der Kinder im Krieg erinnert. Derweil rücken im Osten der Ukraine russische Truppen weiter vor.
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Die Entwicklungen im Überblick:
- In fast 100 Tagen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine sind nach Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj mindestens 689 Kinder zu Schaden gekommen. 243 Kinder seien getötet worden, sagte Selenskyj in seiner Videoansprache vom Mittwochabend in Kiew. Mindestens 446 Kinder seien verletzt worden, 139 Kinder würden vermisst. „Und das sind nur die, von denen wir wissen.“ Es gebe keine Informationen aus den von russischen Truppen besetzten Gebieten. „Ewiges Gedenken denjenigen, deren Leben der russische Krieg gegen die Ukraine genommen hat“, sagte Selenskyj. Er erinnerte mit Namen an mehrere Einzelschicksale getöteter Kinder. Mittwoch war der 98. Tag seit dem russischen Angriff vom 24. Februar.
- Selenskyj erinnerte auch daran, dass weit über 200.000 Kinder aus der Ukraine nach Russland gebracht worden seien. Er sprach von Deportation und einem „niederträchtigen Kriegsverbrechen“. Nach Moskauer Militärangaben vom Mittwoch sind seit Februar knapp 1,6 Millionen Menschen aus den umkämpften Gebieten der Ukraine und den prorussischen Separatistenrepubliken nach Russland gebracht worden. Dazu zählten knapp 260 000 Kinder.
- Das ukrainische Militär gestand ein, dass russische Truppen bei Gefechten in der umkämpften ostukrainischen Großstadt Sjewjerodonezk im Gebiet Luhansk „teilweise Erfolg“ haben. Der Feind habe die Kontrolle über den östlichen Teil der Stadt, teilte der Generalstab am Mittwochabend mit. Der Sturm auf die Großstadt dauere an, hieß es. Die prorussischen Separatisten behaupteten, sie hätten bereits mehr als 70 Prozent der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht. Sjewjerodonezk ist das Verwaltungszentrum in dem von der Ukraine kontrollierten Teil des Gebiets Luhansk. Um die Stadt wird seit Wochen gekämpft. Sollten die russischen Truppen die Stadt einnehmen, hätten sie die komplette Kontrolle über die Region Luhansk. Die Einnahme der Gebiete Luhansk und Donezk ist eins der von Putin ausgegebenen Ziele.
- Die ukrainische Armee eroberte nach Militärangaben im Gebiet Cherson 20 besetzte Ortschaften zurück. Aus diesen Dörfern sei etwa die Hälfte der Bevölkerung geflüchtet, hieß es. Unabhängig überprüfbar waren die Angaben nicht. Es gibt aber seit Tagen Berichte über Vorstöße der ukrainischen Armee im Süden. In Stryj in der Westukraine schlugen Mittwochabend mutmaßlich mehrere russische Raketen ein. Ersten Angaben nach wurden fünf Menschen verletzt.
- Das neue EU-Sanktionspaket gegen Russland wegen des Angriffskrieges auf die Ukraine kann wegen eines weiteren Einspruchs aus Ungarn nicht in Kraft treten. Die Regierung in Budapest verlangt, die geplanten Strafmaßnahmen gegen Patriarch Kirill, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, zu streichen. Das bestätigten mehrere Diplomaten in Brüssel der Deutschen Presse-Agentur. Der Ausweg aus dieser diplomatischen Blockade war am Donnerstag zunächst unklar.
- Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Mittwoch im Bundestag die Lieferung des Flugabwehrsystems Iris-T des deutschen Herstellers Diehl an die Ukraine angekündigt. Dazu kommt ein Ortungsradar, mit dem Artilleriestellungen aufgespürt werden. Bei Letzterem dürfte es sich um das System Cobra handeln. Ein genaues Lieferdatum nannte Scholz nicht. „Aber da ist jetzt kein Hindernis mehr.“ Nach Angaben aus Regierungskreisen sollen zudem vier Mehrfachraketenwerfer Mars II aus Beständen der Bundeswehr bis Ende Juni geliefert werden. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk begrüßte die Ankündigung.
- Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte in ihrer ersten öffentlichen Rede seit rund einem halben Jahr den Angriff auf die Ukraine eine „tiefgreifende Zäsur“. Sie wolle keine Einschätzungen von der Seitenlinie abgeben, sagte Merkel in Berlin. Doch markiere Russlands Einmarsch in das Nachbarland einen eklatanten Bruch des Völkerrechts. „Meine Solidarität gilt der von Russland angegriffenen, überfallenen Ukraine und der Unterstützung ihres Rechts auf Selbstverteidigung.“ Sie unterstütze Anstrengungen der Bundesregierung, der EU, der USA, der Nato, der G7 und der UN, „dass diesem barbarischen Angriffskrieg Russlands Einhalt geboten wird“.
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Das bringt der Tag:
Während in Brüssel nach Wegen zur Überwindung des ungarischen Vetos gesucht wird, wird in der slowakischen Hauptstadt Bratislava über die Sicherheitslage im Osten Europas gesprochen. Zu den prominentesten Rednern beim Globsec Forum Bratislava 2022 zählen gleich am ersten Tag EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der per Videokonferenz zugeschaltete Selenskyj. (dpa)
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