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Politik: Selten auf Anhieb gut

Berlin - Kaum ein Kanzler konnte es der Öffentlichkeit mit seiner ersten Regierungserklärung recht machen. Adenauer wirkte auf viele zu geschäftsmäßig, Brandt wenig brillant, Schmidt zu buchhalterisch und Schröder zu allgemein.

Berlin - Kaum ein Kanzler konnte es der Öffentlichkeit mit seiner ersten Regierungserklärung recht machen. Adenauer wirkte auf viele zu geschäftsmäßig, Brandt wenig brillant, Schmidt zu buchhalterisch und Schröder zu allgemein. Dabei war ein kritisches Medienecho auf die Antrittsrede bisher kein schlechtes Omen für die Dauer der Amtszeit. Ludwig Erhards Erklärung hatte einen überaus positiven Widerhall. Dennoch hielt es den Vater des Wirtschaftswunders nur magere drei Jahre im Amt. Helmut Kohls Rede bekam vernichtende Urteile. Er blieb 16 Jahre Kanzler.

Die erste Regierungserklärung von Konrad Adenauer vom 20. September 1949 ist bis heute stilbildend. Mit nüchternem Pragmatismus handelte der „Alte aus Rhöndorf“ die wichtigsten Problemfelder ab. Hinzu mischte er eine Prise Pathos: „Wir hoffen – das ist unser Ziel –, dass es uns mit Gottes Hilfe gelingen wird, das deutsche Volk aufwärts zu führen und beizutragen zum Frieden in Europa und in der Welt.“ Helmut Kohl setzte 33 Jahre später genau diese Worte ans Ende seiner ersten Erklärung. Ludwig Erhard wandte sich in seiner Antrittsrede vom 18. Oktober 1963 gegen Gruppeninteressen und eine Gefälligkeitsdemokratie. Haften blieb vor allem seine Idee von der „formierten Gesellschaft“.

Kurt Georg Kiesinger sagte in seiner ersten und einzigen „großen Regierungserklärung“ vom 13. Dezember 1966 einen Satz, den wohl auch Angela Merkel heute so unterschreiben würde: „Die Sanierung der öffentlichen Finanzen wird Einschränkungen und Opfer mit sich bringen.“

Alle Regierungserklärungen trugen zwar eindeutig die Handschrift des Kanzlers, waren aber zugleich auch „das Kondensat der Einigung der Koalitionspartner“, wie es der Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte formuliert. So nahm Kiesinger bereits die spätere Entspannungspolitik seines Außenministers Willy Brandt vorweg: „Wir wollen Gräben überwinden und nicht vertiefen.“ Brandt erläuterte in seiner ersten Erklärung als Kanzler am 28. Oktober 1969 dann selbst seine Vorstellungen zur Ostpolitik: „Auch wenn zwei Staaten in Deutschland existieren, sind sie doch füreinander nicht Ausland.“ Berühmt wurde sein Ausspruch: „Wir wollen mehr Demokratie wagen.“ Helmut Schmidt wurde in seiner Erklärung vom 17. Mai 1974 sehr konkret. Die Themen Wirtschaft und Finanzen nahmen in der nüchternen Rede breiten Raum ein. Helmut Kohl nutzte seine Antrittsrede vom 13. Oktober 1982 zur Abrechnung mit der Vorgängerregierung. Er gab zugleich den Termin für Neuwahlen bekannt. Gerhard Schröder prägte in seiner Rede den Satz: „Wir wollen nicht alles anders, aber vieles besser machen.“ Er erläuterte sein Leitmotiv von der „Neuen Mitte“. Doch der Begriff war nicht neu: Bereits 1973 hatte ihn Willy Brandt in seiner Regierungserklärung verwendet.

Johannes Christ

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