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Pragmatisch und kompromissbereit zeigt sich Premier Dacic (l.), hier mit Herman Van Rompuy, bei den von der EU moderierten Gesprächen mit dem Kosovo.

© AFP

Grüße aus der Unterwelt: Serbiens Premier Ivica Dacic hatte Kontakt zur Drogenmafia

Serbiens Premier Ivica Dacic musste einräumen, als Innenminister 2008 Kontakt zur Drogenmafia gepflegt zu haben. Dacic sei damals von der Polizei observiert worden. Dies könnte nun das Ende der Regierung sein.

Sein Spitzname ist „Misha Banana“. Der Mann, der dem serbischen Premier Ivica Dacic gefährlich werden könnte, wird beschuldigt, im Jahr 2009 zwei Tonnen Kokain von Südamerika nach Spanien geschmuggelt zu haben. Dacic musste einräumen, dass er als Innenminister 2008 mit dem Drogendealer Rodoljub Radulovic alias „Misha Banana“ in Kontakt stand. Der Sender B92 berichtet, Dacic habe ihn zweimal getroffen. Und deswegen sei Dacic auch von der Polizei observiert worden. Im Verdacht steht auch Dacics Kabinettschef Branko Lazarevic – auch er soll sich mit Radulovic getroffen haben.

Im Zentrum der Affäre, die die serbische Regierung ins Wanken bringt, stehen 130 CDs mit mitgeschnittenen Telefongesprächen von Mitgliedern der Mafiagruppe. Darunter: Telefongespräche von Radulovic mit Funktionären des Innenministeriums. Dacic betonte am Samstag, dass er nicht gewusst habe, dass es sich bei Radulovic um ein Mitglied des Drogenrings rund um den Kokainkönig des Balkan Darko Šaric gehandelt habe. Er kritisierte die Polizei, ihn damals nicht über den Verdacht informiert zu haben. „Wer hat mit meiner Sicherheit und Integrität gespielt?“, fragte der langjährige Innenminister. Doch wie sehr Dacic auch den Unwissenden gibt, er ist schwer unter Druck geraten.

Noch ist offen, wie der Koalitionspartner reagieren wird. Bereits Mitte Januar hatte Aleksandar Vucic, der Chef der Fortschrittspartei (SNS), die bei Weitem die meisten Wähler hinter sich hat, die Möglichkeit von Neuwahlen nicht ausgeschlossen, falls „einige Parteien“ den Kampf gegen die Korruption blockieren würden. Dacic und Vucic sind nicht erst seit kurzem Rivalen. Denn obwohl Dacic auch Innenminister ist, ist Vucic für die Bekämpfung der Korruption und der Organisierten Kriminalität zuständig. Außerdem haben sich die beiden in den vergangenen Wochen über die Besetzung des Polizeidirektors überworfen. In Belgrad wird spekuliert, dass die SNS, die in Umfragen mit 36 Prozent Zustimmung sehr gut liegt, die Koalition beenden wollen könnte. Heute, Montag, will die Parteispitze jedenfalls zusammenkommen und beraten.

Zuletzt war es auch zu größeren Spannungen zwischen der SNS und der Sozialistischen Partei (SPS) von Dacic wegen der Kosovo-Politik gekommen. Dacic, der einen pragmatischen Kurs fährt und im Dialog mit Pristina Kompromisse auch gegen den Willen der Kosovo-Serben sucht, hat sich den Zorn von Präsident Tomislav Nikolic zugezogen. Nikolic, ebenfalls ein Politiker der SNS, fühlte sich offensichtlich ausgebootet. Der Präsident soll nun auf Einladung der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton erstmals am 6. Februar die kosovarische Präsidentin Atifete Jahjaga treffen. Dacic versuchte am Samstag indes den Koalitionsfrieden zu beschwören und bekräftigte, dass er die Regierungsarbeit nun noch entschlossener fortführen wolle. Bei den Vorwürfen in der Causa „Misha Banana“ handle es sich um eine Attacke gegen „die Einigkeit der Regierung“, aber er halte die SNS nach wie vor für einen völlig glaubwürdigen Partner. Dennoch: Das Misstrauen zwischen den Koalitionspartnern ist bereits gesät. Vergangene Woche fiel die turnusmäßige gemeinsame Kabinettssitzung aus.

Und die Skandale um Dacic häufen sich auffällig. Kürzlich tauchte ein Video auf. Dacic wird auf dem Video von einer als Journalistin getarnten Schauspielerin befragt. Die Frau trug allerdings nach dem Vorbild von Sharon Stone in „Basic Instinct“ keinen Slip zu ihrem sehr kurzen Rock, was als extrem kompromittierend für den Premier empfunden wurde. Dacic will nun rechtlich gegen den Sender vorgehen.

Offensichtlich geht es auch in der Causa rund um Kontakte zum Kokain-König Šaric um ein politisches Machtspiel, bei dem mit wechselseitigen Vorwürfen operiert wird. Der damalige Staatssekretär im Justizministerium, Slobodan Homen hatte bereits 2010 damit gedroht, dass die Ermittlungen gegen Šaric zum Sturz der Belgrader Regierung führen könnte. Und 2010 hatte auch Dacic gesagt, dass er einen Rücktritt nicht ausschließe, wenn sich Medienspekulationen rund um Verbindungen zu Darko Šaric als wahr herausstellen würden. Bislang hat diesen Rücktritt noch niemand verlangt.

Unklar ist zudem bis heute, wer dem Montenegriner eigentlich die serbische Staatsbürgerschaft verliehen hat. Sicher ist nur, dass der Kokain-König viele Millionen Euro aus dem Drogenschmuggel in Serbien gewaschen hat. 20 Millionen Euro soll er in den Erwerb von Landgütern und Hotels in der Vojvodina gesteckt haben. Die Šaric-Bande war im Oktober 2009 bei dem Versuch aufgeflogen, 2,7 Tonnen Kokain aus Südamerika nach Europa zu schmuggeln. Der Aufenthalt von Darko Šaric ist unbekannt.

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