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„Sich der Wirklichkeit stellen“: Ex-Parteichef Gabriel fordert Rückbesinnung von der SPD
Der frühere SPD-Chef ist nicht gut zu sprechen auf seine Partei. Der Sozialstaat sei nicht dazu da, für jede Lebenslage eine neue Sozialleistung zu erfinden, schimpft er. Und fordert Rückbesinnung.
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Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert seine Partei auf, sich wieder stärker an der wirtschaftlichen und sozialen Realität Deutschlands zu orientieren. In einem „Bild“-Interview warf der frühere Vizekanzler der Sozialdemokratie vor, die falschen Prioritäten zu setzen. Stattdessen sollte sie sich einfach der Wirklichkeit stellen, so wie sie es 1959 mit dem Godesberger Programm getan habe.
„Es kann doch nicht wahr sein, dass wir hier zusehen, während die deutsche Industrie im freien Fall ist“, sagte Gabriel. Es könne nicht wahr sein, „dass wir uns nicht kümmern, obwohl jedes Jahr unsere Bildungslandschaft international in den Vergleichen schlechter abschneidet, dass wir beim Sozialstaat ständig irgendwelche neuen Leistungen erfinden, statt darüber nachzudenken, wozu der eigentlich mal da war“.
„Nicht für jede Lebenslage eine neue Sozialleistung erfinden“
Der Sozialstaat sei größte Errungenschaft des 20. Jahrhunderts gewesen, mit dem Ziel, dass die Menschen nicht in den Lebensverhältnissen verbleiben mussten, in die sie geboren wurden. Dafür wollte der Staat Hilfen bereitstellen. „Aber er wollte nicht für jede Lebenslage eine neue Sozialleistung erfinden, die können wir auch nicht bezahlen“. Es täte der SPD daher gut, sich wieder daran zu erinnern, „wozu sie eigentlich da ist, wozu sie eigentlich gebraucht wird“, so der frühere Parteichef.
Als Beleg für Fehlentwicklungen nannte Gabriel das SPD-Mitgliederbegehren über die Reform des Bürgergeldes. Darüber hätten die Mitglieder bereits entschieden, indem sie über den Koalitionsvertrag abgestimmt hätten. „Das ist doch Wahnsinn, dass nicht mal ein Jahr danach innerhalb der SPD eine kleine Gruppe kommt und sagt: Das wollen wir aber nochmal abstimmen. Das zeigt doch, wie ein bestimmter Teil von Funktionären die Meinung der Mitglieder schlicht nicht ernst nimmt und ignoriert, und zwar immer so, wie es ihnen gerade passt. Und das, finde ich, zerstört auf Dauer die Partei.“ (dpa)
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