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So kommentieren Medien die Wahl: „Auf Merz wartet die härteste Kanzlerschaft der Nachkriegsgeschichte“
Wahlsieger Friedrich Merz (CDU) steht vor schwierigen Aufgaben, da sind sich Medien einig. „Er muss nicht einfach ein Macher werden, er muss ein Entfesselungskünstler sein.“ Die Presseschau im Überblick.
Stand:
CDU-Chef Friedrich Merz wird aller Wahrscheinlichkeit nach nächster Bundeskanzler. Die Union schnitt bei der Bundestagswahl am Sonntag als deutlich stärkste Partei ab, bekam allerdings weniger Stimmen als in vielen Umfragen erwartet wurde.
„Jetzt werden wir miteinander reden“, sagte Merz mit Blick auf die Koalitionsverhandlungen. Dem vorläufigen Endergebnis der Bundeswahlleiterin zufolge dürfte es für ein Zweier-Bündnis aus Union und SPD reichen.
So kommentieren Medien das Ergebnis:
„Frankfurter Allgemeine Zeitung“:
„Mit der AfD ist kein demokratischer Staat zu machen. (.) Bei den zentralen Fragen der Innen- und der Außenpolitik stehen AfD und Union zueinander wie Feuer und Wasser. Die Parteien der Ampel hatten ihre Chance, das Land nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sind damit aber krachend gescheitert. Das sollten insbesondere die nicht vergessen, die bereit sind, in eine Koalition mit der Union zu gehen.
Die Deutschen haben für einen Kurswechsel gestimmt, vor allem in der Migrations- und Wirtschaftspolitik. Merz wird in jedem denkbaren Bündnis Kompromisse und damit Abstriche vom eigenen Programm machen müssen. Doch auch nur in die Nähe des ‘Weiter so’ darf die nächste Regierung nicht kommen. Das würde die AfD weiter stärken. Lauter hätte der Warnschuss bei dieser Wahl nicht sein können.“
„Stern“:
„Ein schwierigeres Mandat hat vielleicht noch kein Kanzler in der bundesdeutschen Geschichte übernommen. Klar, viele Kanzler kannten viele Krisen. Aber Merz, der sich so gerne als Macher versteht, der im Wahlkampf immer wieder betonte, endlich mal „machen“ zu wollen, wirkt an vielen Stellen wie gefesselt. Er muss nicht einfach ein Macher werden, er muss ein Entfesselungskünstler sein.“
„t-online“:
„Ein Triumph sieht anders aus als der relative Sieg des Friedrich Merz. Aber Triumphalismus ist auch nicht der zeitgemäße Gemütszustand für den nächsten Bundeskanzler. Denn auf Merz wartet die härteste Kanzlerschaft der Nachkriegsgeschichte. Er muss das Land kriegstüchtig machen, den Bürgerinnen und Bürgern mehr abverlangen, die Wirtschaft wieder zum Laufen bringen und als zentrale Figur ein neues, starkes Europa bauen, das auch ohne die USA reüssieren kann auf dieser härter gewordenen Welt.
Er wird dafür ganz schnell beides machen müssen: den Sozialstaat zurückschneiden und die Schuldenbremse ein gutes Stück weit lösen. Er wird sich extremen Widerständen in der Gesellschaft und den Lobbygruppen gegenübersehen bei diesem Generalumbau des Staates und seiner Ressourcen. In selbsttrunkener Euphorie schafft man das nicht. Demut ist dafür der angemessenere Gemütszustand.“
„Neue Osnabrücker Zeitung“:
„CDU und CSU haben sich in einer Stärke behauptet, auf die noch vor zwei Jahren keiner gewettet hätte. Spitzenkandidat Friedrich Merz habe ein Problem bei Frauen, war eine der ulkigsten Phrasen, mit denen der kommende Kanzler diskreditiert wurde. Dabei war absehbar, dass kein Kandidat bei der jetzigen Bundestagswahl mehr Stimmen von Frauen erhalten würde als er, und so ist es dann auch gekommen – zum Verdruss derer, die sich in ihrer Blase an jeden Strohhalm klammerten.
Merz hat seinen Wahlsieg insofern verdient. Leicht hat es ihm keiner gemacht, der politische Gegner nicht, die Medien nicht, interne Rivalen nicht, bis hin zu seiner Vorgängerin Angela Merkel. Jetzt krönt Merz seine Laufbahn, die herbe Rückschläge und harte Angriffe kannte.“
„Münchner Merkur“:
„Der neuen Regierung unter Friedrich Merz ist Glück zu wünschen. Denn jedes der drei gewaltigen Probleme, die sie nun lösen muss, hat das Zeug, eine Koalition zu überwältigen: die Entschärfung der Zeitbombe Asyl, die Rettung der Wirtschaft und, vor allem, die Verteidigung Europas. Nach dem ungeheuerlichen Raubzug, den das Duo Putin/Trump gegen die Ukraine führt, um ihr Land und ihre Bodenschätze zu stehlen, blickt man in den EU-Hauptstädten auf Deutschland.
Trotz des Krimis, den die Bundesbürger da zusammengewählt haben: Europas wichtigstes Land darf sich in der größten geopolitischen Krise seit Jahrzehnten keine endlose Hängepartie leisten. Bis Ostern muss die Regierung stehen. Bis dahin sollte ein Notkabinett unter Beteiligung von Merz über Parteigrenzen hinweg sicherstellen, dass Berlin jederzeit handlungsfähig bleibt. Die Geschichte wartet nicht auf Deutschland.“
„Volksstimme“:
„Die hitzigen Debatten dieses kurzen Bundestagswahlkampfes verblassen bereits vor der Stimmabgabe. Weil sich für Deutschland eine gigantische Gefahr zusammenbraut, die noch dazu aus unerwarteter Richtung kommt: Die US-Administration unter Donald Trump versucht, der größten europäischen Wirtschaftsmacht ihren Willen aufzuzwingen – und sie quasi abhängig zu machen wie Puerto Rico.
Dieser Herausforderung zu begegnen, steht am Ende der drei Jahre, in denen die Koalition aus SPD, Grünen – und bis Herbst der FDP – dem Fortschritt in Deutschland zum Durchbruch verhelfen wollte. Die Zeit von unerfüllbaren Wunschträumen muss vorbei sein. Die Bedrohung kommt jetzt genauso aus dem Westen wie durch Russland aus dem Osten. Deutschland wird in die Zange genommen. Es braucht eine Regierung des Zusammenhalts, die viele demokratische Richtungen förmlich zusammenschweißt. Demokratie lebt vom Meinungsstreit. Aber nur so lange, wie sie sich dadurch nicht selbst abschafft.“ (mit Agenturen)
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