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Böhmermann tritt auch immer wieder als Investigativ-Journalist auf.

© dpa/Christophe Gateau

Update

Sollten 30 Jahre geheim bleiben: Böhmermann veröffentlicht hessische NSU-Akten

Um die Schriftstücke des hessischen Verfassungsschutzes gibt es seit Jahren Streit. Nun sind sie auf der Transparenzplatt form „Frag den Staat“ zugänglich.

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Die Plattform „Frag den Staat“ und das „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann haben nach eigenen Angaben als geheim eingestufte hessische NSU-Akten veröffentlicht (hier zugänglich).

„Wir glauben, die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, was genau in jenen Dokumenten steht, die ursprünglich für mehr als ein Jahrhundert geheim bleiben sollten“, heißt es auf der dazu eingerichteten Webseite.

Um die Quellen zu schützen, seien die Akten komplett abgetippt und ein neues Dokument erstellt worden, um keine digitalen Spuren zu hinterlassen, schrieb Böhmermann auf Twitter.

Bei dem am Freitag abrufbaren Dokument handelt es sich laut Deckblatt um einen Abschlussbericht zur Aktenprüfung im Landesamt für Verfassungsschutz Hessen im Jahr 2012. Der Bericht ist auf den 20. November 2014 datiert.

Demnach offenbare sich in den als geheim eingestuften Dokumenten „ein mehr als zweifelhaftes Bild von der Arbeit des hessischen Verfassungsschutzes; vor allem während der 90er Jahre“. Aus den Akten gehe hervor: „Zu dieser Zeit sammelte der Dienst zwar umfangreiche Daten, hatte dabei aber weder den Überblick über seinen Bestand, noch folgten aus den gesammelten Informationen stets Konsequenzen.“

Es handele sich um eine vom damaligen hessischen Innenminister Boris Rhein beauftragte Überprüfung, bei der „nicht der NSU, sondern der hessische Verfassungsschutz und seine Rolle in Bezug auf die Taten des NSU“ untersucht worden sei, wird auf der Website erklärt.

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Nach Einschätzung der Linken entsprechen die Dokumente offenkundig dem Original. „Sie scheinen vollständig und inhaltsgleich transkribiert worden zu sein“, sagte der innenpolitische Sprecher der Linken im hessischen Landtag, Torsten Felstehausen, am Samstag der Deutschen Presse-Agentur. Man habe die Texte nebeneinander gelegt und verglichen. Die Abgeordneten hätten im Landtags-Untersuchungsausschuss Zugang zu den Originalakten gehabt.

Eine offizielle Bestätigung der Authentizität stand am Samstagmittag aber noch aus: Landesinnenministerium, Landeskriminalamt und Landesverfassungsschutz in Hessen äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorgang. Die Linksfraktion begrüße die Veröffentlichung. Aus Sicht der Opferfamilien sei das eine lange Forderung gewesen, sagte Felstehausen. „Endlich kann die Öffentlichkeit sich ein eigenes Bild davon machen, wie der sogenannte Verfassungsschutz über Jahre mit Hinweisen auf rechten Terror umgegangen ist.“ 

Petition forderte Veröffentlichung der Akten

Um sogenannte NSU-Akten des hessischen Verfassungsschutzes - Ergebnis einer Prüfung, bei der die Behörde eigene Akten und Dokumente zum Rechtsextremismus auf mögliche Bezüge zum NSU geprüft hatte - gibt es seit Jahren Streit. Sie waren zunächst für 120 Jahre als geheim eingestuft worden, später wurde die Zeit auf 30 Jahre verringert.

Zehntausende Personen hatten in einer Petition die Veröffentlichung gefordert. Die Initiatoren der Petition erhofften sich neue Erkenntnisse über die Morde der rechtsextremen Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrunds“ (NSU) und mögliche Verbindungen zum Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke.

Es sei beschämend für die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen, dass sie nicht der Petition von mehr als 130.000 Menschen auf Aktenfreigabe gefolgt sei, sondern dass es dafür Leaks durch Investigativ-Journalistinnen und -Journalistinnen gebraucht habe, sagte Felstehausen. 

Innenminister wollte Arbeitsweise schützen

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) hatte im Mai 2021 die Entscheidung verteidigt, die Akten nicht zu veröffentlichen. „Für die Arbeit unserer Sicherheitsbehörden ist es immanent, dass sie ihre Arbeitsweise nicht für jeden offenlegen können“, sagte er damals im Landtag in Wiesbaden.

„Ansonsten könnten die Verfassungsfeinde selbst diese Informationen nutzen, um unsere gemeinsamen Werte zu bekämpfen oder Menschen gezielt zu gefährden.“ Er verwies darauf, dass das zuständige Parlamentarische Kontrollgremium Verfassungsschutz vollumfängliche Akteneinsichtsrechte besitze und jederzeit sämtliche Informationen des Verfassungsschutzes einsehen könne.

Der NSU hatte über Jahre unerkannt mordend durch Deutschland ziehen können. Die Opfer: neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft und eine deutsche Polizistin. Die Rechtsterroristen verübten außerdem zwei Bombenanschläge mit Dutzenden Verletzten und etliche Banküberfälle.

Einer der Morde wurde 2006 in Kassel verübt. Die beiden Terroristen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt hatten sich 2011 getötet, um der Festnahme zu entgehen. Als einzige Überlebende des NSU-Trios wurde Beate Zschäpe als Mittäterin zu lebenslanger Haft verurteilt - auch wenn es nie einen Beweis dafür gab, dass sie selbst an einem der Tatorte war. (dpa)

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