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Was hilft gegen Rassismus?: Soziale und ökonomische Teilhabe ist das Zauberwort

Eine Mehrheit in Deutschland hat Diskriminierung erlebt - als Zeuge oder Betroffener. Jetzt ist vor allem staatliches Handeln gefragt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Caroline Fetscher

Als die erste brünette Frau Sprecherin der „Tagesschau“ wurde, war das eine kleine Kulturrevolution. Bis 1999 Susanne Daubner auftauchen durfte, waren Sprecherinnen stets blond. Erst als sich das Blondinenmonopol auflöste, wurden viele gewahr, dass es existiert hatte, informell, ohne Vorschrift.

Die unbewusste Formel hatte gelautet: Deutsches Fernsehen, deutsche Sprecherin gleich blond. Von Protesten Dunkelhaariger aus der Zeit davor ist nichts bekannt. Dann aber dämmerte es vielen, wie diskriminierend die Praxis war, die biologistische, rassistische Züge trug.

Heute scheint die Gesellschaft grundlegend gewandelt. Frauen sind im Fernsehen nicht nur Sprecherinnen, sie moderieren sogar. Immer mehr Männer und Frauen in Politik, Medien oder Wirtschaft haben unterschiedliche Hautfarben oder Herkünfte. Mit Anshu Jain war 2012 ein Manager indischer Herkunft Chef der Deutschen Bank geworden, im „Tatort“ ermitteln Kommissarinnen mit Migrationsgeschichte.

Dennoch, oder gerade deshalb, rücken rassistische Diskriminierungen stärker ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit.

Studie liefert ernüchternde und aufrüttelnde Daten

Doch wie effektiv wird Rassismus verringert? Das will der „Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor“ herausfinden, und befragte für eine Studie etwa 5000 Menschen am Telefon. Präsentiert werden jetzt ernüchternde, aufrüttelnde Daten. Danach wissen rund 90 Prozent aller Deutschen, dass es Rassismus gibt.

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Zwei Drittel geben an, dass sie als Zeugen oder Betroffene Diskriminierung erlebt haben, Frauen mehr als Männer. Noch immer, so das Fazit, werde die Tatsache häufig abgewehrt, und noch immer glaube etwa die Hälfte, darunter meist weniger Gebildete, Menschen könnten in „Rassen“ kategorisiert werden.

Wie sehr schadet der Begriff "serbische Bohnensuppe" der Integration?

Die vom Familienministerium geförderte Forschung soll eine sozialwissenschaftliche Datenbasis liefern, um Debatten zur gesellschaftlichen Transformation zu versachlichen. Dieser aufklärerische Ansatz hat enorme Relevanz für die Aussichten der Betroffenen in Bildung und Beruf. Leider greift die Studie selber jedoch den Begriff „Aufklärung“ an. Das ist derzeit akademische Mode, wo Aufklärung als „kolonial“ und „weiß“ gilt, da erst Wissenschaft den Rassismus überhaupt hervorgebracht habe. Ethnische Vorurteile und Fremdenfeindlichkeit gab es jedoch lange vor der Aufklärung, und sie zu entwerten führt nicht weiter. So wird manches in dieser Studie ideologisch überstrapaziert und lenkt vom Kern der Causa ab. Fragwürdig ist etwa auch die Rede von „rassistischen Wissensbeständen“. Rassismus hat nicht mit Wissen zu tun, sondern mit Beschränktheit und ethnischen Stereotypen, wie sie leider auf allen Kontinenten zu finden sind.

Wenn viele Befragte die Betroffenen „zu ängstlich“ finden, muss das nicht rassistisch sein, sondern kann auch eine Ermutigung sein, sich nicht einschüchtern zu lassen. Und wenn Begriffe wie „serbische Bohnensuppe“ aus dem Sprachgebrauch verschwinden, ist das tatsächlich ein Schub für die Integration?

Worauf es zentral ankommt, ist glasklar: Auf angemessene soziale und ökonomische Teilhabe. Diesen Prozess aktiv zu steuern ist primär Aufgabe des Staates. Mehr Diversität der Gesichter im Fernsehen und in der Kulturszene ist gut, mehr Aufmerksamkeit im Alltag ist richtig.

Effektiv verändert wird die Gesellschaft durch all die wenig hip klingenden Dinge: Bessere Schulen, Frühförderung, Gratis-Nachhilfe, Lehrerfortbildung. Das kostet Millionen. Ein paar Wörter aus der Sprache fortzuschaffen kostet nichts.

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