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Leider noch nicht fertig....

© Oliver Berg/dpa

SPD-Arbeitsminister gegen Vier-Tage-Woche: Nicht jede Arbeitszeitflexibilisierung endet in Ausbeutung

In Belgien kann die Wochenarbeitszeit auf vier Tage verteilt werden. Minister Heil hält davon wenig, dabei könnte es das Überstunden-Unwesen begrenzen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Man kann Belgien nur dankbar sein. Das Land löst das bisher fast naturgesetzhafte Konzept der Fünf-Tage-Woche auf und verschafft seiner arbeitenden Bevölkerung die Möglichkeit, die vertraglich vereinbarten Wochenarbeitsstunden künftig auf nur noch vier Tage zu verteilen.

Es ist ein Schritt, der, kaum, dass er getan ist, total überfällig wirkt. Wozu die aktuelle Forsa-Umfrage vom Wochenende passt, nach der 71 Prozent der Menschen in Deutschland begrüßen würden, wenn das auch hierzulande möglich wird. Und tatsächlich gibt es geradezu nichts, was dagegen spricht. Im Gegenteil könnte man überlegen, ob man auch in die andere Richtung flexibler wird: dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die gern weniger Stunden pro Tag arbeiten, ihre Wochenarbeitszeit auf sechs Tage verteilen.

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Es konnte in Studien nachgewiesen werden, dass die Möglichkeit zur Selbstorganisation die Arbeitszufriedenheit steigert. Was nicht nur die Beschäftigen freut, sondern wovon auch die Unternehmen und Betriebe profitieren. Man hätte also eine Win-Win-Situation. Die zurückliegenden Coronamonate könnten als eine ungeplante Testphase gelten, denn Arbeit im Homeoffice wurde oft anders eingeteilt als im Büro.

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Die hohe Zustimmungsrate aus der Forsa-Umfrage spricht dafür, dass diese Erfahrung bei den Beschäftigten gut angekommen ist. Arbeitsminister Hubertus Heil hat aber schon mitgeteilt, dass er keinen Anlass sieht, die Vier-Tage-Woche auch hierzulande zu etablieren. Sein Nein wirkt, als sei es jenem alten sozialdemokratischen Denken geschuldet, das hinter jeder Arbeitszeitflexibilisierung die Ausbeutung von Geknechteten durch die brutale Knute der bösen Bosse sieht. Aber ist das hier wirklich das Thema?

Pünktlicher Feierabend könnte häufiger vorkommen

Die Wochenarbeitszeit an sich wird im belgischen Modell nicht weiter berührt, die bleibt. Und es ist gar nicht unwahrscheinlich, dass eine Vier-Tage-Woche sogar noch das Unwesen der vielen unbezahlten Mehrarbeit eindämmt. Wird eine 38,5-Stunden Woche in vier Tage verteilt, ergibt das eine tägliche Netto-Arbeitszeit von 9,5 Stunden, an die sich nur unter deutlich größerer Kraftanstrengung noch Überstunden anhängen lassen als an knapp acht Stunden.

Und am fünften Tag tauchen die Arbeitnehmer nicht im Dienstplan auf, weshalb sie ohnehin für Überstunden ausfallen. Pünktlicher Feierabend könnte so gesehen in der Vier-Tage-Woche eher die Regel sein als im bisherigen Modell.

Vielleicht finden sich in der Ampel-Regierung jenseits vom Bundesarbeitsminister Fürsprecher für die belgische Idee. Gut wäre das. Einer Gesellschaft, die man dauernd zur großen Transformation aufruft, darf man auch zutrauen, dass sie weiß, wie sie ihre Wochenarbeitszeit am besten verteilt.

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