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SPD-Chefin Andrea Nahles bei einer Pressekonferenz im Willy-Brandt-Haus-

© dpa

SPD und Transitzentren: Operation Gesichtswahrung

Transitzentren für Flüchtlinge - das war für die SPD bisher tabu. Jetzt wollen die Genossen solche Einrichtungen doch mittragen. Nur heißen sollen sie anders.

Es gebe „keinen Automatismus“, dass die SPD dem Asylkompromiss der Union zustimmen werde. Das sagte die Partei- und Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles am Montag in Berlin. Ihre Botschaft: Nach der Einigung zwischen CDU und CSU in der Grenzpolitik will die SPD in der Sache endlich wieder mitreden – und mitentscheiden.

SPD: kein „neues Grenzregime“

Zugleich ist wohl auch den Sozialdemokraten klar, dass sie kaum eine Wahl haben. Denn eine Ablehnung des Unionsbeschlusses – und damit ein vorschnelles Ende der großen Koalition – kann sich die SPD nicht leisten. Angesichts bescheidener Umfragewerte von unter 20 Prozent dürften die Genossen derzeit kaum etwas mehr fürchten als zügige Neuwahlen. Sie scheinen deshalb dazu verdammt zu sein, den Unionsplänen zur Grenzpolitik zuzustimmen.

Die Frage ist nur: Wie können die Genossen das ohne größeren Gesichtsverlust tun? Immerhin hat der Parteivorstand am Montag noch einstimmig ein eigenes Migrationskonzept beschlossen, das sich von den Plänen der Union unterscheidet. So will die SPD im Gegensatz zur Union etwa kein „neues Grenzregime“.

Dennoch senden hochrangige Genossen Signale aus, die einen starken Willen der SPD zu einer einvernehmlichen Lösung in der Asylfrage zeigen. So lobte Nahles ihre Koalitionspartner von CDU und CSU bereits für deren Rückkehr zu Sachfragen. Sofern die GroKo „vernünftige rechtsstaatliche Verfahren“ sowie „europäische Lösungen“ garantiere, werde die SPD ihre Zustimmung nicht verweigern, kündigte Parteivize Ralf Stegner im Deutschlandfunk an. Detailfragen will die SPD am Dienstagabend klären.

Eine Frage der Wortwahl

Wie es scheint, zählt dazu vor allem das „wording“, wie es im Politik-Sprech heißt – also die Wortwahl für die neue Politik an der Grenze. So lehne die SPD den Begriff „Transitzentren“ ab, sagte Nahles am Dienstag nach der Sitzung ihrer Fraktion. In der SPD gilt die Bezeichnung als verbraucht, weil die Union im Flüchtlingsjahr 2015 Massenunterkünfte unter diesem Namen einführen wollte. Für die Parteichefin scheint die Zustimmung zum aktuellen Unionsplan also auch eine Frage der Begrifflichkeiten zu sein.

Damit nimmt Nahles eine Position ein, wie sie auch bei vielen Parteirechten verbreitet ist. Schon vor Tagen diskutierten konservative Sozialdemokraten über die Frage, wie die SPD dem damals noch unbekannten „Masterplan Migration“ zustimmen könnte. Ihre Antwort: Die Genossen könnten nur unter bestimmten Bedingungen bei einer restriktiveren Grenzpolitik mitmachen.

So müsse die SPD ein „Mitspracherecht“ beim politischen „wording“ bekommen – also mitentscheiden, wie die „Transitzentren“ offiziell genannt werden. So könne sie ihren Anhängern auch eine härtere Gangart an den Grenzen gut verpackt verkaufen.

"Trophäe" für die SPD

Die Parteirechten wollen außerdem Druck auf die Union ausüben – und eine Gegenleistung für ihre Zustimmung: zum Beispiel ein „richtiges Einwanderungsgesetz“, das über die im Koalitionsvertrag festgehaltene Idee eines „Fachkräftezuwanderungsgesetzes“ hinausgehe. Das könne die SPD im Asylstreit als „Trophäe“ mitnehmen, heißt es beim rechten Flügel der Partei. Auch von einem höheren Mindestlohn als Gegenleistung für ein strengeres Grenzregime ist die Rede.

Solche Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern wünscht sich auch der hessische SPD-Landtagsabgeordnete Stephan Grüger. Auf Facebook schrieb er: „Jetzt wäre genau der richtige Zeitpunkt für die SPD, die Verlängerung der Bezugsdauer von ALG1 und das Verbot der Sachgrundlosen Befristung auf den Tisch der Regierung zu legen.“

Bleibt abzuwarten, ob die SPD-Führung diesen Vorschlag aufgreift.

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