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„Spuren der Teilung weiterhin sichtbar“: Junge Ostdeutsche identifizieren sich weiter stark mit ihrer Herkunft
35 Jahre Einheit – und doch: Der Osten bleibt für viele prägend. Auch für Jüngere. Was die Ostbeauftragte der Bundesregierung bei der Vorstellung ihres Jahresberichts sonst noch feststellt.
Stand:
Den Wert der Deutschen Einheit sollte man nach Ansicht der Ostbeauftragten der Bundesregierung, Elisabeth Kaiser (SPD), nicht zu gering schätzen.
„Wenn wir jetzt 35 Jahre deutsche Wiedervereinigung feiern, da kann man eben auch daran erinnern, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir in einem wiedervereinigten, friedlichen und eben auch demokratischen Land leben“, sagte sie am Mittwoch bei der Vorstellung ihres Berichts zum Stand der Deutschen Einheit. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit der Perspektive der Generationen, die mehrheitlich im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen sind.
„Dabei sehen wir: Obwohl junge Menschen ganz selbstverständlich, so wie ich auch, im vereinigten Deutschland aufgewachsen sind, spielt die Identifikation mit Ostdeutschland immer noch eine große Rolle“, so Kaiser. Und trotz aller Angleichungsprozesse zwischen Ost und West würden junge Menschen in Ostdeutschland immer noch unter anderen Rahmenbedingungen aufwachsen.
Mehr Aufwachsen in Armut im Osten
Laut Bericht bedeutet eine Herkunft aus Ostdeutschland überdurchschnittlich oft ein Aufwachsen in Familien mit niedrigem Einkommen und wenig oder gar keinem Vermögen. Das präge den Lebensweg vieler Ostdeutscher bis weit ins Erwachsenenalter hinein. In heiklen Lebensphasen, wie etwa bei einem Start in die berufliche Selbstständigkeit oder bei der Familiengründung, könnten sich Ostdeutsche viel seltener auf finanzielle Unterstützung durch die Eltern verlassen als Westdeutsche.
Ferner ist dem Bericht zufolge „der Osten“ für junge Erwachsene, die um die Wendezeit 1990 zur Welt kamen und dort aufwuchsen, immer noch prägend für ihr Identitätsempfinden. Während Gleichaltrige, die aus dem Gebiet der alten Bundesrepublik stammen, mit der Zuschreibung „westdeutsch“ nichts anfangen können, identifizieren sich junge Ostdeutsche weitaus häufiger als „Ossis“.
Junge Menschen sind in Westdeutschland überwiegend der Meinung, es sei nicht länger relevant, ob man aus dem Westen oder dem Osten komme. Zwei Drittel der Ost-Millennials sagen hingegen, dass das sehr wohl noch eine Rolle spiele. Junge Menschen, die nach 1990 geboren wurden, gelten als die erste gesamtdeutsch-sozialisierte Generation.
„Ich finde, der Blick durch die Augen der jüngeren Generation kann uns durchaus zeigen, wie weit wir eigentlich in Deutschland gekommen sind“, sagte Kaiser. So stehe man mittlerweile in Ost und West vor ähnlichen Herausforderungen. „Auf der anderen Seite bleiben aber eben auch Spuren der Teilung weiterhin sichtbar, in ihren Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und auch Politik. Und daran müssen wir arbeiten.“ Es sei wichtig, Menschen die Ängste zu nehmen, dass sie die Verlierer seien. Dafür müsse man ihnen Sicherheiten geben.
Ostdeutsche seien immer noch im Schnitt überdurchschnittlich oft auf Sozialleistungen angewiesen. Eine weitere Herausforderung sei eine Überalterung ganzer Landstriche. Junge Menschen, die in ländlichen Regionen in Ostdeutschland aufwüchsen, träfen jenseits der Metropolen selten auf Gleichaltrige. (KNA)
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