Istanbul: Staatsanwalt fordert Liberalisierung bei Armenier-Äußerungen
Türken sollen das Massaker an den Armeniern von 1915 bis 1917 nach dem Willen eines Istanbuler Staatsanwalts als Völkermord bezeichnen dürfen. Damit sei keine "Beleidigung des Türkentums" gegeben.
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Istanbul - Nach einer Reihe von spektakulären Prozessen wegen Äußerungen zur Armenierfrage in der Türkei hat die Staatsanwaltschaft in Istanbul nun für mehr Meinungsfreiheit plädiert. Die Anklagebehörde im Istanbuler Stadtteil Sisli stellte nach einer Meldung der Zeitung "Radikal" ein Verfahren gegen einen Historiker ein, der die türkischen Massaker an den Armeniern im Ersten Weltkrieg öffentlich als Völkermord bezeichnet hatte. Der entsprechende Zeitungsbeitrag des Forschers Taner Akcam sei keine "Beleidigung des Türkentums", erklärte die Staatsanwaltschaft laut "Radikal".
Die erst jetzt bekannt gewordene Entscheidung sei nur wenige Tage nach dem Mord an dem armenischen-türkischen Journalisten Hrant Dink im Januar ergangen, berichtete die Zeitung weiter. Akcam, ein in den USA lehrender türkischer Historiker, hatte in Dinks Wochenzeitung "Agos" geschrieben, er halte die Ereignisse von 1915 bis 1917 für einen Völkermord.
Hrant Dink, der Schriftsteller Orhan Pamuk und andere türkische Intellektuelle waren in den vergangenen Jahren wegen angeblicher "Beleidigung des Türkentums" nach dem Strafrechtsparagraphen 301 vor Gericht gestellt worden. Bei einem Teil der Prozesse war auch die Staatsanwaltschaft Sisli aktiv. Die EU verlangt von der Türkei die Änderung oder völlige Abschaffung des Artikels 301; Ankara hat dies bisher aber abgelehnt und die Hoffnung geäußert, dass die Justiz das Gesetz weniger restriktiv auslegt. (tso/AFP)
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