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Südamerika: Staatskrise in Argentinien

Leere Kassen führen zum Dauerkonflikt: Präsidentin Cristina Kirchner hat nun ein Auge auf die Zentralbankreserven geworfen.

Puebla - Die Bombe ist inmitten der Sommerferien geplatzt: Wegen des akuten Liquiditätsengpasses und der Leere in den Staatskassen hat Präsidentin Cristina Kirchner ein Auge auf die Zentralbankreserven geworfen, mit denen sie den anstehenden Schuldendienst 2010 leisten wollte. Es handelte sich um 6,6 Milliarden Dollar aus den Schatullen der Zentralbank, die per Dekret zur Tilgung von rund 13 Milliarden Dollar Schulden herangezogen werden sollten. Insgesamt belaufen sich die Zentralbankreserven auf 47 Milliarden Dollar. Doch Zentralbankpräsident Martin Redrado, ein anerkannter Ökonom, wollte das Dekret und seine wirtschaftlichen und juristischen Folgen zunächst überprüfen – und brachte damit die Präsidentin in Rage.

Kurzerhand entließ sie ihn am Donnerstag per Dekret wegen „schlechten Benehmens und Nichterfüllung der Amtspflichten“ und löste damit eine Staatskrise aus. Der brüskierte Redrado verweigerte seinen Rücktritt mit den Worten „die Zentralbankreserven gehören dem argentinischen Volk und nicht der Exekutive“ und mahnte die Einhaltung der dafür vorgesehenen Spielregeln an – nämlich einen entsprechenden Beschluss des Kongresses. Ein Gericht gab ihm am Freitag recht, ordnete seine umgehende Wiedereinsetzung ins Amt an und verweigerte der Regierung bis zur endgültigen Entscheidung über die Besetzung des Chefpostens in der Zentralbank den Zugriff auf die Devisenreserven.

Im Zentrum der ständigen Konflikte, die das Mandat Cristina Kirchners prägen, steht die Staatskasse. Argentinien, das 2002 inmitten einer schweren Finanzkrise die Zahlungsunfähigkeit erklärte, muss trotz Umschuldung weiterhin einen hohen Schuldendienst leisten, für den der Staat Geld benötigt. Die Popularität der Kirchners basiert jedoch auf hohen Sozialausgaben – für beides fließt schlichtweg nicht genügend Geld. Im Vorjahr kam es zu einem Kräftemessen mit den Sojabauern, nachdem Kirchner die Exportsteuern für die proteinhaltige Bohne erhöhen wollte, was einige Millionen mehr in die Staatskasse gebracht hätte. Die Bauern blockierten die Straßen, es kam zu Versorgungsknappheit in Buenos Aires, und Kirchner zog ihr Dekret zurück. Anschließend verstaatlichte die Präsidentin gegen großen Widerstand der Opposition die Rentenversicherung, und sicherte sich so Liquidität.

Aber auch andere Maßnahmen sorgten für Zündstoff. Mit der Katholischen Kirche kam es zu einem Streit über die Höhe der Armut in dem Land, die nach Ansicht der Bischöfe durch das neue, von der Regierung eingeführte Messverfahren systematisch unterschätzt wird. Mitte des Jahres führte ein neues Mediengesetz, in dem die Opposition einen Angriff auf die Presse- und Unternehmensfreiheit sah, zu einem Schlagabtausch, über dessen endgültigen Ausgang die Gerichte entscheiden müssen. Sandra Weiss

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