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Zweiter Weltkrieg: Stalin wollte Hitler das Baltikum abtreten

Dass die Wehrmacht im Dezember 1941 an der Stadtgrenze zu Moskau stand, erklärt die offizielle russische Geschichtsschreibung bis heute damit, dass Hitlers Überfall die Sowjetunion überraschte. Doch der KGB wusste offenbar viel früher Bescheid.

Historiker vom Schlage Nikita Petrow kamen in Russland bisher nur bei kritischen Sendern zu Wort. Was Petrow jüngst in Archiven zutage förderte, ist sensationell, fällt bei strenger Auslegung jedoch unter das neue Gesetz, das Geschichtsklitterung zum Schaden Russlands mit empfindlichen Strafen ahndet.

Es geht um Dokumente, die Mythen demontieren, die kurz nach Hitlers Überfall auf die Sowjetunion, der sich in der Nacht zum Montag zum 68. Mal jährt, in Umlauf gebracht und über Jahrzehnte kultiviert wurden. Dass die Wehrmacht im Dezember 1941 an der Stadtgrenze zu Moskau und 1942 tief im Kaukasus stand, erklärt die offizielle Geschichtsschreibung bis heute damit, dass der Überfall die Sowjetunion überraschte. Stalin habe sich auf den 1939 mit Hitler geschlossenen Nichtangriffspakt verlassen.

Die Wahrheit, sagt Petrow, sei eine andere. Dabei stützt er sich vor allem auf Funksprüche deutscher Widerstandskämpfer, die für Moskau arbeiteten. Demzufolge meldeten der im Reichswirtschaftsministerium tätige Arvid Harnack und Harro Schulze-Boysen aus dem Reichsluftfahrtministerium schon im September 1940, Vorbereitungen für einen Überfall liefen auf Hochtouren. Warnungen dieser Art gingen mehrfach in der KGB-Zentrale ein. Die letzte am 17. Juni 1941 – fünf Tage vor dem Überfall.

Stalin indes beschimpfte die Deutschen als Desinformanten, die „ihre eigene Mutter begatten“ sollten. So steht es laut Petrow im Stenogramm einer Krisensitzung, die Stalin unmittelbar nach Dechiffrierung des Funkspruchs anberaumte. Das lasse sich nur in Teilen mit Stalins krankhaftem Misstrauen erklären. Eigentliche Ursache sei gewesen, dass der Generalissimus zutiefst überzeugt war, Hitler werde vor Kriegsbeginn einen Zwischenfall provozieren und Moskau dann ein Ultimatum mit unannehmbaren Forderungen stellen. Wie sehr Stalin Gefangener seiner fixen Ideen war, beweist aus Sicht Petrows auch das Stenogramm einer Tagung der KP-Führung. Der berichtet Pawel Sudoplatow, enger Vertrauter von Stalin und dessen berüchtigtem Sicherheitschef Berija am 7. August 1953, er habe in beider Auftrag kurz nach Kriegsbeginn bei Hitler anfragen sollen, zu welchen Bedingungen dieser zur Einstellung des Krieges bereit sei. Dabei habe Stalin Hitler als Gegenleistung die Abtretung des Baltikums, des heutigen Moldawiens, der Ukraine und Kareliens angeboten. 

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