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Politik: Starke Worte

Götz Gliemeroth versteht die Welt nicht mehr. "Das hat mich persönlich sehr betroffen gemacht", sagt der General, Kommandeur beim Nato-Kommando in Heidelberg.

Von Robert Birnbaum

Götz Gliemeroth versteht die Welt nicht mehr. "Das hat mich persönlich sehr betroffen gemacht", sagt der General, Kommandeur beim Nato-Kommando in Heidelberg. Am Montag hat er seinen Verteidigungsminister Rudolf Scharping sagen hören, die Finanzausstattung der Bundeswehr sei "nicht komfortabel, aber letztlich hinreichend" für die Fortsetzung der Bundeswehr-Reform. Wenig später hat das der Kanzler in etwa genauso dargestellt. Am Dienstag aber spricht Scharpings scheidender Generalinspekteur Harald Kujat vor den rund 600 Teilnehmern der Kommandeurstagung in Hannover von Risiken und Sorgen, von Verzögerungen und Gefahren. Eine Reform in Gefahr - das ist, bei allem Positiven, der Unterton von Kujats Rede.

Was Wunder, dass der General Gliemeroth nachfragt, wie es zu derart gravierenden Auffassungsunterschieden komme? Kujat verzieht keine Miene. "Der Bundeskanzler muss sich an den zuständigen Minister halten", sagt er. Mehr will er jetzt nicht sagen, so lange die Presse noch im Saal ist. Aber selbst das, was im öffentlichen Teil dieser Kommandeurstagung zu hören ist, sprengt den üblichen Rahmen bei weitem. Man kann es in einen Satz fassen: Die militärische Führung der Bundeswehr hat ihrer politischen Spitze das Misstrauen erklärt.

Der Chef der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg, Generalmajor Hans-Christian Beck, stellt unverblümt die Frage, "ob die politische Führung ein inneres Verhältnis zu den Streitkräften hat". Kujat mag das öffentlich nicht kommentieren: "Ich nehme das zur Kenntnis." Aber er widerspricht eben auch nicht, jedenfalls nicht, sofern es um seinen Minister geht. Im Gegenteil: Der Vier-Sterne-General, der im Sommer den Job als oberster Militär der Bundeswehr mit dem des Spitzen-Militärs bei der Nato vertauscht, hat selbst zur Kritik ermuntert. Sehr deutlich widerspricht er Scharpings Sicht der Dinge vor allem dort, wo es um den Zustand der Truppe geht. "Der Bericht des Beauftragten für Erziehung und Ausbildung in den Streitkräften beschreibt die Realität", konstatiert er zum Beispiel, "natürlich nicht repräsentativ, aber symptomatisch". Das ist bei Licht besehen eine glatte Ohrfeige für Scharping. Der Minister nämlich hat den Bericht des Generals Löchel über die Stimmung in der Truppe stets als bloßen "Mängelbericht" zu relativieren versucht.

Berufs- und Zeitsoldaten beklagten, dass sich ihre finanzielle Situation kontinuierlich verschlechtert habe, berichtete Kujat. Die Gesamtheit der finanziellen und materiellen Einbußen würden als "Nadelstiche" und "mangelnde Fürsorge" empfunden. Außerdem verschlechterten fehlendes und überaltertes Gerät die Stimmung.

Gegenüber der bis 2012 geplanten Personalstärke fehlten wegen der Deckelung der Ausgaben rund 15 000 Zeit- und Berufssoldaten. Nur die Öffnung der Bundeswehr für Frauen habe im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass die Bewerberzahlen nicht zurückgegangen seien.

Auch von Scharpings Optimismus in Sachen Geld hält Kujat erkennbar nichts. Dass der General Beck eine "Finanzkatastrophe" sieht, findet der Generalinspekteur zwar ein "starkes Wort". Tatsache aber bleibe, dass die von ihm maßgeblich mit geplante Bundeswehr-Reform zu ihrer Umsetzung ein bestimmtes Finanzvolumen erfordere. Tatsache bleibe auch, dass das nötige Geld im Haushalt nicht eingeplant sei. Also muss mehr Geld her - eine Milliarde Euro pro Jahr, schätzen Spitzenmilitärs.

Scharping hat am Vortag noch einmal auf die erhofften Effizienzgewinne verwiesen, die die Teilprivatisierung von Bereichen wie Bekleidung, Gebäudemanagement oder Fahrzeugflottenverwaltung erbringen sollen. Kujat macht keinerlei Hehl daraus, dass er an diese finanziellen Wundertüten nicht mehr so richtig glaubt. Er kleidet seine Skepsis in viele Konjunktiv-Sätze: Würde es nicht zu den vorgesehenen Einsparungen kommen, dann ... Wird, so ein weiteres Beispiel, das Geld für den geplanten Militär-Airbus A400M nicht zusätzlich bewilligt, müssen andere Projekte zurückstehen.

"Ich habe heute gesagt, wo ich die Risiken sehe", sagt Kujat später vor Journalisten. Die Einzelrisiken summieren sich zu einem schlichten wie bedrohlichen Gesamt-Risiko: Dass die Bundeswehr-Reform zwar nicht spektakulär scheitert, aber doch steckenbleibt; dass immer neue Verzögerungen eintreten, unvernünftige Personalstrukturen und Uralt-Material weiter durchgeschleppt werden. Es sind genau die Probleme, die den Frust auslösen.

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