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Fall Kurnaz: Steinmeier nahm an entscheidender Sitzung teil

In der Affäre um die jahrelange Guantánamo-Haft von Murat Kurnaz war Außenminister Frank-Walter Steinmeier an der grundsätzlichen Entscheidung beteiligt, den aus Bremen stammenden Türken nicht nach Deutschland zurückkehren zu lassen.

Berlin - Steinmeier habe an der Sitzung der deutschen Geheimdienstpräsidenten am 29. Oktober 2002 teilgenommen, in der die Wiedereinreise des damals 20-Jährigen abgelehnt wurde, bestätigte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes (AA).

Laut "Frankfurter Rundschau" geht aus einem AA-Vermerk hervor, dass auch drei Jahre später sowohl Steinmeier als auch Ex- Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) Kurnaz' Rückkehr nicht wollten. In ihrem Bericht an das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) für die Geheimdienste habe die Regierung aber verschwiegen, dass sie noch 2005 bemüht gewesen sei, Kurnaz als Sicherheitsrisiko darzustellen.

Die ARD und die "Süddeutsche Zeitung" berichteten, der Verfassungsschutz habe Kurnaz auch noch nach seiner Rückkehr im August 2006 beobachtet. Der Grund: Es sei nicht auszuschließen gewesen, dass er in Guantánamo radikalisiert wurde und in Bremen als Märtyrer hätte auftreten können. Die Beobachtung soll inzwischen beendet sein.

Im Bericht an das PKG wurde laut "Frankfurter Rundschau" auch verschwiegen, dass drei im September 2002 nach Guantánamo entsandte Mitarbeiter von BND und Verfassungsschutz zu einer positiven Einschätzung von Kurnaz gekommen seien. In ihrem Vermerk heiße es: "Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit besitzt Kurnaz bei einer Freilassung kein Gefährdungspotenzial hinsichtlich deutscher, amerikanischer oder israelischer Sicherheitsinteressen."

"Steinmeier wird alle Zweifel ausräumen"

AA-Sprecher Jens Plötner sagte, Steinmeier werde im Untersuchungsausschuss des Bundestags alle Zweifel an dem damaligen Verhalten der Regierung anhand einer Reihe von Fakten ausräumen. Die "Berliner Zeitung" berichtete unter Berufung auf ein Schreiben an den früheren Innenstaatssekretärs Claus Henning Schapper, in einem Papier vom 30. Oktober 2002 werde detailliert das rechtliche Vorgehen erörtert, mit dem Kurnaz die Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden sollte. Es habe mit dem Hinweis "Information Steinmeier" und anderer Beteiligter geendet.

Erstmals äußerte sich am Freitag die türkische Regierung zu dem Fall. Über ihre Botschaft in Berlin wies sie Vorwürfe zurück, die Türkei habe sich während der Internierung von Kurnaz nicht mit dessen Lage befasst. Die türkische Regierung habe sich von Anfang bei US-Behörden nachdrücklich dafür eingesetzt, dass im Falle einer Anklage gegen türkische Guantánamo-Häftlinge diese vor Gericht gestellt oder andernfalls freigelassen werden müssten.

Darüber hinaus habe Ankara "sich bemüht, auch mit den deutschen Behörden zu kommunizieren und eine ergebnisorientierte und harmonische Zusammenarbeit zu führen". In der Zeit nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 sind insgesamt sechs türkische Staatsangehörige nach Guantánamo gebracht worden. Kurnaz wurde als letzter von ihnen freigelassen. (tso/dpa)

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