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Führungsstreit: Stoiber-Kritiker wollen früheren Rücktritt

Nach den Chaostagen bei der CSU und ist noch immer keine Lösung im Machtkampf um die Stoiber-Nachfolge in Sicht. Die Partei fürchtet nichts mehr als den Stillstand.

München/Berlin - Nach dem wochenlangen Drama in mehreren Akten bis zum Rückzug von Edmund Stoiber dauerte es nur drei Tage, bis der designierte Nachfolger als Regierungschef im Freistaat, Günther Beckstein, die bisher zur Schau gestellte Loyalität aufgab. Ausgerechnet der langjährige bayerische Innenminister, der noch bis vor kurzem versichert hatte, er stehe für Intrigen gegen Stoiber "nicht zur Verfügung", schwenkte nun um. Über den dienstältesten deutschen Ministerpräsidenten sagt Beckstein nun unverhohlen, Stoiber sei an seinen eigenen Fehlern gescheitert.

Und während die Demontage Stoibers nach dem Gezerre um seinen Rücktritt begonnen hat, zerstreiten sich die Kandidaten für den CSU-Vorsitz. Der bei der Basis beliebte Agrarminister Horst Seehofer griff am Wochenende den Konkurrenten Erwin Huber und auch Beckstein an. "Ich bin immerhin stellvertretender Parteivorsitzender", blaffte Seehofer im "Spiegel", "und musste trotzdem aus den Agenturen entnehmen, dass sich Günther Beckstein und Erwin Huber in Kreuth über das Erbe Edmund Stoibers verständigt haben."

Seehofer fühlt sich übergangen

Seehofer, nach Enthüllungen über ein angebliches Liebesverhältnis mit einer Bundestags-Mitarbeiterin angeschlagen, fühlt sich ausgetrickst. Während er bei der Verbrauchermesse "Grüne Woche" in Berlin als Fachminister unabkömmlich war und als dreifacher Familienvater auch noch sein Privatleben ordnen musste, verteilten Beckstein und Huber das Fell des Bären unter sich. "Man kann solche Personalentscheidungen nicht im Hinterzimmer auskungeln", sagte Seehofer. Huber, der sich in dem Machtkampf mit Angriffen bisher zurückhielt, reichte Seehofer "die Hand zur Zusammenarbeit", jedoch mit der unmissverständlichen Botschaft, der Berliner Minister möge als sein Vize die Zukunft der CSU mitgestalten.

Nicht wenige Christsoziale haben Sorge, Seehofer könnte sich mit der schärfsten Stoiber-Kritikerin Gabriele Pauli verbünden und ein Votum der Basis sowohl für den Parteivorsitz als auch für das höchste Regierungsamt in Bayern fordern. Beckstein und Huber fürchten eine solche Abstimmung der Mitglieder wie der Teufel das Weihwasser. Pauli - sie löste die Erosion Stoibers kurz vor Weihnachten mit ihren Bespitzelungsvorwürfen gegen die Staatskanzlei aus - hat mehrfach zu erkennen gegeben, dass sie sich Seehofer als von der Basis gewählten Parteichef gut vorstellen könnte. Und sie liebäugelt neuerdings damit, für einen der vier CSU-Parteivize-Posten zu kandidieren.

Nicht nur Seehofer fühlt sich übergangen. Nachdem CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer schon unmittelbar nach Bekanntwerden der in Kreuth ausgeheckten "Münchener Lösung" gelästert hatte, legte er am Sonntag in seiner oberbayerischen Heimat nach: "Bei einer Ämtertrennung gehört der Parteivorsitz grundsätzlich nach Berlin", wetterte er im "Trostberger Tagblatt". Wenn Bundeswirtschaftsminister Michael Glos dafür nicht zur Verfügung stehe, "bleibt für mich Horst Seehofer". In München werde schon wieder "viel zu viel geredet", sagte Ramsauer.

Angst vor Stillstand

Und noch ein Problem plagt die CSU: die Angst vor einer monatelangen Hängepartie, in der nichts mehr vorangeht in der Partei, weil Stoiber erst im September seine beiden Ämter aufgeben will. Prompt schallte es am Sonntag aus Berlin, Stoiber könne doch schon früher als geplant gehen. Die Überlegungen über den weiteren Fahrplan seien "sicher noch nicht zu Ende", sagte Wirtschaftsminister Glos vieldeutig im Deutschlandfunk. Erst die Demontage des CSU-Chefs durch Beckstein, dann die unverhohlene Empfehlung von Glos, doch bitte früher die Segel zu streichen - für Stoiber kommt es knüppeldick.

Parteifreunde rätseln indes, was Beckstein bewogen haben könnte, seine bisherige Loyalität zu Stoiber so rasch aufzugeben. Stoiber sei "Opfer einer Entwicklung geworden, die durch den einen oder anderen Fehler von ihm befördert worden ist", gab der designierte Nachfolger in der "Welt am Sonntag" seine Zurückhaltung auf. Kaum jemand glaubt, dass es sich um einen Alleingang des gewieften Taktikers Beckstein handelt. Vielmehr könnte es sich um gezielte Nadelstiche handeln - unterstützt noch durch die Glos-Äußerungen. Kein Zweifel: Der oft als Bayerns heimlicher König titulierte Stoiber hat seine Hausmacht in der CSU rasend schnell verloren. (Von Paul Winterer/dpa)

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