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Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher wirft den Berliner Behörden vor, die Abschiebung von mehreren Afghanen nach Schweden zu verhindern.

© Marcus Brandt/dpa

Streit um Abschiebung zwischen Hamburg und Berlin: Rechte Töne vom Sozialdemokraten und was dahinter stecken könnte

Peter Tschentscher und Kai Wegner – verkehrte Welt, was die Härte angeht. Das bringt die SPD-Spitze unter Druck. Sie muss sich ja überall um Stimmen bemühen.

Stephan-Andreas Casdorff
Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Stand:

Das hat man auch nicht alle Tage. Zwei Regierungschefs im Land streiten sich um die Abschiebung afghanischer Asylbewerber: Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Berlins Regierender Kai Wegner (CDU). Und der Sozialdemokrat beschuldigt den Christdemokraten, die Abschiebung verhindert zu haben – verkehrte Welt!

Ein entsprechender Brief des Hamburgers an den Berliner ist in scharfem Ton gehalten, völlig untypisch für Tschentscher. Darauf Wegner: Unsere Tonlage ist das nicht. Auch das ist eher untypisch. Umgekehrt ist der Berliner Ton sonst eher der schärfere.

Inhaltlich geht es um vorgeblichen „Missbrauch des Kirchenasyls“. Hamburg erwartet, dass vier Afghanen – nachdem ihr Kirchenasyl durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgelehnt wurde – zur Rückführung nach Schweden an die Hansestadt überstellt werden.

Schweden deshalb, weil die „Rückkehrpflicht in einen anderen EU‑Mitgliedstaat rechtskräftig festgestellt wurde“. So sieht es die Dublin-Regelung vor. Berlin behindere die Rückführung, laut Tschentscher wegen einer „politischen Weisungslage“.

Tschentscher hätte Berlin nicht derart bashen müssen, dass er ganz wie Alexander Dobrindt klingt, der christsoziale Bundesinnenminister.

Stephan-Andreas Casdorff

Klar, dass Wegner das bestreitet. Wer lässt sich das schon gerne sagen, so schon gar nicht. Berlin achtet das Kirchenasyl; eine Abschiebung außerhalb der Kirchenräume würde durch die Hauptstadt auch unterstützt. Die Überstellungsfrist verstreichen zu lassen, sei alleinige Entscheidung Hamburgs gewesen.

Nun, so weit, so hart. Tschentscher hätte Berlin nicht derart bashen müssen, dass er ganz wie Alexander Dobrindt klingt, der christsoziale Bundesinnenminister, der sich öfter an der Hauptstadt reibt.

Andererseits: Wenn Tschentscher das tut, steht dahinter wohl ein Plan. Der gelernte Arzt ist doch mehr der kühle, überlegte Typ, für Schärfe weniger bekannt. Und ausgerechnet der setzt sich jetzt ab vom übrigen und üblichen sozialdemokratischen Kurs. Mit seinem Ton und seiner Haltung besetzt der Hamburger die Lücke zum (linksnationalen) BSW um Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine, und übrigens auch zur rechtspopulistischen AfD, an die die SPD ja nicht wenige Stimmen verliert.

Das kann also schon Strategie sein. Die brächte dann nicht nur Kai Wegner, den vormaligen Rechten, unter Druck, sondern auch die gemäßigt rechten Linken an der SPD-Spitze, Lars Klingbeil und Bärbel Bas. Nach Peter Tschentschers Vorstoß kann sich mit der Zeit noch eine ganze Menge verkehren.

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