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Streit um Startchancen-Geld: Stark-Watzinger gibt Ländern Kontra
Viel Geld für reiche Bundesländer oder die Milliarden lieber dorthin, wo die Brennpunktschulen sind? Bund und Länder sind in Sachen Startchancen-Programm auf Konfrontationskurs.
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Wie du mir, so ich dir: Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) geht auf Konfrontationskurs zu den Ländern. Es geht darum, wie die Milliarden für das geplante Startchancen-Programm verteilt werden sollen, das als Förderung für Schulen in schwieriger Lage gedacht ist.
Die Ampelkoalition will eine Milliarde Euro pro Jahr ausgeben – jedoch nicht, wenn das Geld mit der sprichwörtlichen Gießkanne verteilt wird. Nur darauf aber hatte sich die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder einigen können. Nun ist ein Konzeptpapier aus Stark-Watzingers Ministerium öffentlich geworden. Es liegt dem Tagesspiegel vor (die FAZ hatte zuerst berichtet). Das Papier zeigt: Stark-Watzinger hat sehr grundsätzlich andere Vorstellungen als die Länder.
Die Ministerin möchte das Geld danach verteilt sehen, wie viele Kinder mit nicht-deutscher Familiensprache und wie viele armutsgefährdete Kinder in einem Bundesland leben. Außerdem soll es berücksichtigt werden, wenn Länder ein besonders niedriges Bruttoinlandsprodukt haben.
Das wollen die Länder
Die Länder hingegen möchten 95 Prozent des Geldes nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel verteilen, also nach Einwohnerzahl und Finanzkraft. Der Effekt wäre genau umgekehrt: Besonders reiche Länder würden profitieren. Nur fünf Prozent sollen gezielt an Länder mit besonders vielen benachteiligten Schulkindern gehen. Die Unterschiede zwischen den beiden Ideen sind gewaltig. Ein Land wie Bayern etwa würde sehr viel Geld bekommen, wenn es nach dem Willen der Länder geht, und sehr viel weniger entsprechend den Plänen der Ministerin.
Auf beiden Seiten ist die Kompromissbereitschaft gering. „Das Prinzip Gießkanne ist falsch, und wenn sie sich ehrlich machen, wissen das auch die Länder“, sagt Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. „Gar kein Anteil des Geldes darf nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt werden. Bevor das passiert, wird es kein Programm geben.“

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Ähnlich sieht das Nina Stahr, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion: „Alle Forscher:innen sagen: Ihr müsst weg vom Königsteiner Schlüssel. Genau das haben wir vor, und da gibt es in der Koalition eine große Einigkeit.“ Der Beschluss der Kultusministerkonferenz gehe „in die völlig falsche Richtung“.
Die Länderministerinnen und -minister wiederum hatten lange und hart gerungen, um sich überhaupt zu einigen. Einige unter ihnen wären sehr dafür, mehr Geld an Länder mit vielen Brennpunktschulen zu geben. Doch in der KMK gilt das Einstimmigkeitsprinzip, und die Vertreter der besser situierten Länder waren zu allzu viel Großzügigkeit nicht zu bewegen.

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Die Antwort kommt nun von Stark-Watzinger: So wie die Länder eine kompromisslose Position formuliert haben, hat auch sie das getan. Womöglich, damit man sich am Ende eben doch in der Mitte treffen kann. „Sollte keine Einigung zu schaffen sein, müsste sich die KMK fragen, ob sie zum Blockadegremium geworden ist“, sagt Grünen-Politikerin Stahr.
Ein zweiter großer Konflikt
Und dabei ist der Konflikt über die Verteilung nicht einmal der einzige. Fast genauso schwierig dürfte es werden, sich in der Frage der Ko-Finanzierung zu einigen. Stark-Watzinger fordert, dass die Länder, so wie der Bund, eine Milliarde Euro pro Jahr über eine Laufzeit von zehn Jahren geben. Das komme angesichts der „Anstrengungen, die Länder schon jetzt für ihre Brennpunktschulen unternehmen“, nicht infrage, sagte allerdings Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) der FAZ.
Viele Kinder wachsen sehr behütet auf, andere in Zuständen, die man sich kaum vorstellen kann. Um diese Kinder geht es.
Ria Schröder, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion
„Wenn Frau Prien der Meinung ist, die Länder würden genug tun, sagen die Fakten etwas anderes“, sagt FDP-Bildungspolitikerin Schröder. Regelmäßig zeigen Leistungsvergleiche, wie schlecht vor allem die Chancen von Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen sind. „Viele Kinder wachsen sehr behütet auf, andere in Zuständen, die man sich kaum vorstellen kann. Um diese Kinder geht es“, sagt Schröder.
Damit das Programm tatsächlich etwas bewirkt, plant Stark-Watzinger eine wissenschaftliche Begleitung und „datengestützte Erfolgsmessung“. Groß ist die Sorge, dass wie manches Mal in der Vergangenheit viel Geld ausgegeben wird, bei dem am Ende niemand genau sagen kann, ob es etwas bewirkt hat.
Im Sommer 2024 soll das Programm starten. Angesichts der Differenzen ist fraglich, ob das zu schaffen sein wird. Für schnelle Verhandlungsprozesse ist die Kultusministerkonferenz nicht bekannt. Doch der Druck ist groß: Die Ampel hat das Startchancen-Programm neben der Kindergrundsicherung zum zweiten zentralen Projekt im Bildungs- und Sozialbereich erklärt. Alles andere als eine Einigung mit den Ländern wäre eine Blamage für Stark-Watzinger und die Koalition.
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