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Politik: Stunde der Optimisten

Afghanistans Verfassung enthält viele Widersprüche – dennoch wird sie weltweit begrüßt

Die Einigung der afghanischen Ratsversammlung auf eine Verfassung ist international auf ein positives Echo gestoßen. So erklärte US-Präsident George W. Bush, dass ein demokratisches Afghanistan dazu beitragen werde, „dass der Terrorismus keinen Unterschlupf mehr in diesem stolzen Land findet“.

Die Delegierten der Loya Dschirga, der Ratsversammlung in Kabul, legten mit ihrem Beschluss am Sonntag ein Maß an Geschlossenheit an den Tag, das für die Völker und Stämme Afghanistans in der jüngeren Vergangenheit nicht üblich war. Sie bekennen sich zu drei verschiedenen Richtungen des Islam. Grundgesetze sind allerdings nur dann sinnvoll, wenn überzeugende Mehrheiten auch den Willen aufbringen, die Vereinbarungen zu erfüllen. So mancher der 502 Delegierten der Loya Dschirga stimmte dem Verfassungskompromiss nur widerwillig zu.

Es ist durchaus möglich, dass der mühsam ausgehandelte Kompromiss nur auf dem Papier Bestand haben wird: Grundwerte der westlichen Demokratie, darunter auch die Gleichstellung der Frau, werden durch andere Passagen in der Verfassung relativiert. Sie besagen, dass kein Gesetz dem Islam zuwiderlaufen darf. Aber es gibt auch einen heilsamen Druck zu einer tatsächlichen Umsetzung der Verfassung – in der Form von internationaler Aufbauhilfe. Bundeskanzler Gerhard Schröder versicherte am Montag, Deutschland werde sich weiter am politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau Afghanistans beteiligen.

Probleme dürfte indes der Anspruch bereiten, mit dem der afghanische Präsident Hamid Karsai die Macht seines Stammes innerhalb der paschtunischen Mehrheit wiederherzustellen versucht. Die ethnischen Minderheiten werden dies so kaum hinnehmen. Schließlich waren sie es auch, die der Anti-Terror-Koalition im Krieg gegen die Taliban 2001 den Weg frei gemacht hatten. Doch am Montag war erst einmal die Stunde der Optimisten: UN-Generalsekretär Kofi Annan begrüßte die Verabschiedung der neuen afghanischen Verfassung durch die Loya Dschirga als „historische Leistung“.

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