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Politik: Teil 4: Ab in die Mitte - Die ÖVP will sich durch Regieren retten. Das funktioniert auch - erstmal (Kommentar)

Der Tag, als Wolfgang Schüssel, Chef der Österreichischen Volkspartei, aus dem Zimmer des Vizekanzlers ins Büro des Bundeskanzlers übersiedelte, sollte für seine ÖVP so etwas wie ein Neuanfang sein. Exakt dreißig Jahre zuvor war mit Josef Klaus der letzte ÖVP-Mann aus dem Kanzleramt hinausgewählt worden, und seit damals ging der Einfluss der Partei stetig zurück.

Der Tag, als Wolfgang Schüssel, Chef der Österreichischen Volkspartei, aus dem Zimmer des Vizekanzlers ins Büro des Bundeskanzlers übersiedelte, sollte für seine ÖVP so etwas wie ein Neuanfang sein. Exakt dreißig Jahre zuvor war mit Josef Klaus der letzte ÖVP-Mann aus dem Kanzleramt hinausgewählt worden, und seit damals ging der Einfluss der Partei stetig zurück. Zuerst saß sie 16 Jahre auf der Oppositionsbank und tauschte einen Parteivorsitzenden nach dem anderen aus. Dann war die ÖVP 14 Jahre Juniorpartner einer großen Koalition mit den Sozialdemokraten - und tauschte einen Vorsitzenden nach dem anderen aus.

Vordergründig waren das Wechsel, die mit Wahlniederlagen zu tun hatten. Doch im Hintergrund hatte die Sache auch etwas mit Inhalten zu tun. Wofür sollte die ÖVP stehen? Welches Wählerklientel sollte sie ansprechen? Die ÖVP hat eine altertümlich anmutende Struktur. Sie ist in sogenannte Bünde gegliedert, die die Partikularinteressen vertreten soll, für die die ÖVP zu stehen gedenkt. Da gibt es den Bauernbund, der gemessen an der Zahl der in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung einen überproportionalen Einfluss in der Partei hat. Dann gibt es den ÖAAB - den Arbeiter- und Angestelltenbund. Der vertritt an sich die größte Bevölkerungsgruppe, gleichzeitig ist er in der ÖVP aber nicht wirklich mächtig. Und dann wäre da noch der Wirtschaftsbund, der Vertreter der Klein- und Mittelbetriebe. Er gibt momentan in der ÖVP den Ton an.

Diese drei Teilorganisationen haben naturgemäß oft unterschiedliche Interessen, und das hat in der ÖVP oft zu Richtungsstreitereien - bevorzugt nach Wahlen - geführt. Und bei jedem Wechsel des Parteivorsitzenden wechselte auch der Einfluss der Bünde. Der Reihe nach kamen ÖAAB, Bauernbund, und mit Wolfgang Schüssel der Wirtschaftsbund zum Zug. Gebracht hat das alles nichts. 1986, beim Regierungseintritt, lag die ÖVP bei weit über 40 Prozent. 1999 sackte sie auf unter 28 Prozent und an die dritte Stelle hinter Jörg Haiders FPÖ ab. In guter Parteitradition wäre das für Schüssel ein Signal zum Rücktritt gewesen. War es aber nicht, denn er versuchte den Neuanfang - als Kanzler von Haiders Gnaden.

Die ÖVP hat sich nun ein neues Leitmotiv verpasst: "ÖVP - die Kraft der Mitte". Ein Slogan, der zeigt, wohin der Weg führt, und der bereits im Regierungsprogramm angedeutet war. Das Papier ist bei weitem nicht so rechts, wie anfangs befürchtet. Es hat wenig wertkonservative Inhalte. Ein bisschen Privatisierung von Staatseigentum hier, ein bisschen mehr Bauernförderung da, ein bisschen mehr Selbstbestimmung dort.

Schüssels Idee ist einfach. Statt lange über neue Inhalte zu streiten, soll die ÖVP durchs Regieren jenes neue Profil bekommen, dass sie verloren hat. An der Regierungsspitze kann die ÖVP ihre Klientel auch besser bedienen als früher. "ÖVP - die Kraft der Mitte." Soll heißen: Keine Ecken und Kanten, aber immens staatstragend. Ein ÖVP-Mann hatte eine treffendere Bezeichnung für die neue Linie: "verwalten statt gestalten."

Und diese Positionierung ist auf den ersten Blick auch durchaus vielversprechend. Die österreichische Sozialdemokratie war seit dem Abgang von Bruno Kreisky 1983 eine Partei ohne große inhaltliche Ambition, der Kanzlerbonus rettete sie aber von Wahl zu Wahl. Durch die Neuorientierung der SPÖ in Richtung Links-Partei wird in der Mitte plötzlich Platz frei. Und auch die wirtschaftliche Entwicklung des Landes - eine Leistung der großen Koalition - deutet darauf hin, dass auf die Staatspartei ÖVP in naher Zukunft keine allzugroßen Probleme zukommen. "Verwalten statt gestalten" könnte da tatsächlich gelingen.

Auf den zweiten Blick ist es aber gefährlich. Denn dass Haider nicht tatenlos zusehen wird, wenn seine Partei das Schicksal der ÖVP ereilt - als zweiter in der Regierung massive Stimmenverluste in Kauf nehmen zu müssen - ist evident. Auf das Phänomen Haider, der der ÖVP in den vergangenen Jahren massiv Wähler abspenstig gemacht hat, geht die Partei bislang nicht ein. Eine ÖVP, die nur verwalten und regieren will, könnte ein Koloss auf tönernen Füßen werden.In dieser Reihe sind bisher am 2., 3. und 4. März Beiträge über Italien, Frankreich und Großbritannien erschienen. Die Reihe wird fortgesetzt.

Markus Huber

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