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Julia Timoschenko.

© dpa

Ukraine: Timoschenko ruft zum Kampf auf

Die Situation in der Ukraine spitzt sich zu. Die Oppositionspolitikerin hat ihren Hungerstreik abgebrochen. Die Regierung wirkt ratlos.

Warschau - Die Nervosität in Kiew steigt. Julia Timoschenko hat zwar ihren vor zwölf Tagen begonnen Hungerstreik auf Bitten der Demonstranten auf dem Majdan am Freitag abgebrochen. Doch sie hat die Menschen auf dem zentralen Platz in Kiew eindringlich vor einer neuen Diktatur gewarnt. „In der Ukraine wird ein zweiter Stalin geboren“, warnte die bekannteste politische Gefangene des Landes. „Wenn Janukowitsch an der Macht bleibt, haben wir hier bald ein zweites Nordkorea“, sagte die eingekerkerte Oppositionsführerin. „Ich rufe deshalb alle Fähigen auf zum Kampf“, schreibt Timoschenko in einer von ihrer Tochter Jewgenia verbreiteten Botschaft an die Opposition. Statt Diskussionen auf dem Majdan zu führen, sollten die Ukrainer die Macht besser selbst an sich reißen, wünscht sie sich.

Wenige Schritte vom Majdan entfernt im Kiewer Rathaus ist dies bereits geschehen. Seit radikale Parteigänger der nationalistischen Freiheitspartei das Gebäude vor Wochenfrist gestürmt haben, wird dort eine Art Parallelregierung aufgebaut. Sie kommt von unten, aus dem Volk. Sie muss sich mit den dringendsten praktischen Fragen des Tages befassen – dem Nachschub von heißer Suppe, Schlafplätzen für zugereiste Demonstranten, der Abwehr von Provokateuren des Machtapparats und der Verteidigung gegen die Gewalt der Sicherheitskräfte. Laut einem Gerichtsentscheid muss das Gebäude bis Montagabend geräumt werden. Doch die Besetzer wollen nicht weichen.

Die ukrainische Regierung scheint derweil ratlos die Rückkehr ihres Gebieters, Staatspräsident Viktor Janukowitsch, aus China abzuwarten. Dieser hat auf seinem Rückflug aus Peking im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi am Freitag einen Zwischenhalt eingelegt und seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin zu einer weiteren Unterredung getroffen. Das Gespräch zwischen dem Russen und dem Ukrainer drehte sich laut Janukowitschs Präsidentenhomepage um die künftige „strategische Partnerschaft zwischen Russland und der Ukraine“ sowie eine Reihe von Wirtschaftsfragen.

Die Ukraine steht laut Finanzexperten am Rande der Zahlungsunfähigkeit und braucht dringend möglichst günstiges Gas aus Russland. Der Kreml hat sich jedoch bisher – trotz Janukowitschs Stopp des EU-Integrationskurses auf Putins Wunsch hin – nicht zu einer Neuverhandlung des Gasliefervertrages bereit erklärt. Demnach zahlt die Ukraine heute 415 Dollar je Tausend Kubikmeter Erdgas, etwa dreimal mehr als Armenien oder Weißrussland.

Unterstützung haben die Protestierenden überraschend von den drei Vorgängern Janukowitschs erhalten. Die Ex-Präsidenten Leonid Kutschma, Leonid Krawtschuk und Viktor Juschtschenko erklärten gemeinsam ihre Solidarität. Dies ist umso erstaunlicher, als Janukowitsch noch 2004 klar von Kutschma protegiert und zu dessen Wunschnachfolger auserkoren worden war. Paul Flückiger

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