
© dpa/Michael Probst
Trauerfeier nach Anschlag: Steinmeier fordert in Solingen mehr Einsatz gegen irreguläre Migration
Solingen gedenkt bei einer Trauerfeier den Opfern des Messerangriffs. Der Bundespräsident sprach vor seiner Rede auch mit Angehörigen der Opfer.
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Der mutmaßlich islamistische Anschlag von Solingen trifft nach Worten von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das gesamte Land im Innersten. Die Tat treffe „ein freundliches, ein offenes, vielfältiges Land“ im Kern, sagte Steinmeier bei einer Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terroranschlags vor gut einer Woche in der bergischen Stadt.
„Es trifft uns in unserem Selbstverständnis als Nation, in der die Menschen trotz aller Unterschiede friedlich zusammenleben und zusammenleben wollen – Menschen, die schon seit Generationen hier leben, genauso wie diejenigen, die später hinzugekommen sind.“
Das Staatsoberhaupt betonte in seiner Trauerrede: „Genau darauf, genau auf diesen Kern zielte der Täter von Solingen in seinem Hass, wie auch schon die Täter vor ihm.“ Kurz vor der Gedenkfeier hatte Steinmeier Angehörige getroffen – in einem streng vertraulichem Rahmen, zu nicht öffentlichen Gesprächen.
Wir sind aus gutem Grund ein Land, das Menschen aufnimmt, die Schutz vor politischer Verfolgung und Krieg suchen.
Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident
Das Thema Zuwanderung und ihre Begrenzung müsse in den nächsten Jahren Priorität haben, so Steinmeier weiter. Steinmeier unterstrich die Bedeutung des Grundrechts auf Asyl: „Wir sind aus gutem Grund ein Land, das Menschen aufnimmt, die Schutz vor politischer Verfolgung und Krieg suchen.“
Steinmeier appelliert in Solingen an die Gesellschaft
Doch das funktioniere nur, „wenn uns die Zahl derer, die ohne Anspruch auf diesen besonderen Schutz (kommen), nicht überfordert“, sagte er. Zudem müssten sich Schutzsuchende „an Recht und Gesetz unseres Landes halten“.
Es komme jetzt darauf an, jede Anstrengung zu unternehmen, um die Zugangsregeln, die es gebe und „diejenigen, die gerade geschaffen werden“, umzusetzen. „Das ist eine Riesenaufgabe, und sie muss Priorität haben in den nächsten Jahren.“ Es brauche eine gesamtstaatliche Anstrengung, das erwarte ich und das erwarten die Menschen in Deutschland – und zwar über parteipolitische Grenzen und staatliche Ebenen hinweg.“
An der Trauerfeier im Theater und Konzerthaus nahmen unter anderem auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundestagspräsidentin Bärbel Bas sowie Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst und Innenminister Herbert Reul (beide CDU) teil. Auch Steinmeiers Frau Elke Büdenbender war unter den rund 450 anwesenden Gästen.
Der Kanzler schrieb im Anschluss an die Trauerfeier auf der Plattform X: „Das Verbrechen trifft uns ins Herz, es macht uns zornig. Dass wir daraus Lehren ziehen, sind wir ihnen und ihren Angehörigen schuldig.“
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Der SPD-Politiker versicherte: „Wir trauern um die Toten von #Solingen. Wir trauern mit ihren Angehörigen, mit allen in dieser Stadt, mit allen in Deutschland.“
Solingens Bürgermeister ruft zu Zusammenhalt auf
Der Schmerz sei kaum zu ertragen, sagte der Bundespräsident, der kurz zuvor mit Angehörigen der drei Toten und acht Verletzten gesprochen hatte, weiter. „Ich kann kaum ermessen, wir alle können kaum ermessen, was Sie, liebe Angehörige und Freunde durchmachen, was Sie durchleiden müssen, durch welche Hölle Sie gehen.“
Steinmeier sagte weiter, der Staat habe in Solingen „sein Versprechen auf Schutz und Sicherheit“ nicht vollständig einhalten können. Das Verbrechen und mögliche Versäumnisse, die dazu beigetragen haben könnten, dass die Tat nicht verhindert wurde, müssten umfassend aufgearbeitet werden.
Die Last für das Gelingen von Zuwanderung dürfe nicht bei den engagierten Menschen abgeladen werden – etwa Mitarbeitenden in Städten und Gemeinden, freiwilligen Helferinnen und Helfern, Polizistinnen und Polizisten sowie allen, die schon länger an ihre Grenzen gekommen seien. „Wir dürfen die Gutwilligen nicht überfordern.“
Solingens Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) rief zum gesellschaftlichen Zusammenhalt auf. „Der Anschlag traf Menschen vor einer Bühne in Solingen, aber er galt uns allen“, sagte Kurzbach bei einer Trauerfeier am Sonntag. „Wir werden weltoffen bleiben“, sagte er weiter. „Wir werden das Leben auch wieder feiern, gerade weil Terroristen, die uns die Freude rauben wollen, nie gewinnen dürfen.“
Der Tat verdächtigt wird ein 26 Jahre alter Mann aus Syrien, der über Bulgarien als Flüchtling nach Deutschland gekommen war und in Untersuchungshaft sitzt. Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) reklamiert die Tat für sich. „Fanatische Islamisten wollen zerstören, was wir lieben: unsere offene Gesellschaft, unsere Art zu leben, unsere Gemeinschaft, unsere Freiheit“, sagte Steinmeier.
„Wir wollen nicht, dass das Kalkül von Terroristen aufgeht, dass ihre schreckliche Saat Früchte trägt, aber wir spüren Angst und Verunsicherung. Beide haben ihren Grund.“ Man dürfe sich jedoch nicht von Angst nicht lähmen lassen.
Nach der Trauerfeier legte Steinmeier am Tatort einen Kranz nieder. Schweigend gedachten er und seine Frau der Opfer und verneigten sich still. (dpa)
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