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Politik: Trotz Gewinn – Millionen für Apotheker?

Ministerin Schmidt lehnt Forderung nach Ausgleichszahlungen ab / SPD droht mit Gesetzesänderung

Berlin - Im Streit um Nachzahlungen in Millionenhöhe hat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an die Apotheker appelliert, auf ihre gesetzlichen Ansprüche zu verzichten. Nach dem guten Geschäftsjahr 2004 sehe sie keinen sachlich begründeten Anspruch auf Nachforderungen bei den verschreibungspflichtigen Medikamenten, sagte Schmidt am Dienstag. Die Apotheker beharren dagegen auf ihren Forderungen. Sie erklärten sich aber bereit, den Spruch eines Schiedsgerichts zu akzeptieren, wie der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Heinz Günther Wolf, sagte. Auch die Krankenkassen wollen das Schiedsgericht entscheiden lassen.

In dem Streit geht es um eine Regelung im Gesundheitsreformgesetz, das Anfang 2004 in Kraft getreten war. Seither bekommen Apotheker statt einer prozentualen Beteiligung einen festen Zuschlag von 8,10 Euro für jede verkaufte Packung – unabhängig von der Packungsgröße. Davon gehen zwei Euro Rabatt an die Krankenkassen. Die Kassen hatten Sorge, dass die Apotheker künftig mehr kleine Packungen verkaufen würden, um mehr Geld zu verdienen. Darum bestanden sie auf einer Klausel im Gesetzbuch: Sollte die Zahl der verkauften Packungen 2004 von der im Jahr 2002 abweichen, müsse das ausgeglichen werden. Wider Erwarten verkauften die Apotheker aber 2004 deutlich weniger verschreibungspflichtige Arznei. Darum bestehen sie jetzt auf einem finanziellen Ausgleich, der sich auf bis zu 400 Millionen Euro belaufen könnte.

Nach Ansicht von SPD-Fraktionsvize Gudrun Schaich-Walch haben die Forderungen der Apotheker „keine wirtschaftliche Grundlage“. Der Bruttoumsatz einer Apotheke sei 2004 um fast ein Prozent gegenüber 2003 gestiegen. Laut Apothekerverband erzielte die „typische Apotheke um die Ecke“ ein Plus von 3000 Euro. Rein rechnerisch käme jede Apotheke dann noch einmal auf bis zu 19 000 Euro Nachzahlung. Schaich-Walch forderte Kassen und Apotheker auf, eine Lösung zu finden, die „nicht zulasten der Beitragszahler geht“. Wenn sie dazu nicht in der Lage seien, werde der Gesetzgeber entsprechende Änderungen vornehmen.

Regierungsberater Karl Lauterbach nannte die Forderung der Apotheker „unverschämt“. Die Apotheker gehörten zu den wenigen Gewinnern der Gesundheitsreform, sagte Lauterbach dem Tagesspiegel. Darum hätten sie „weder einen ökonomischen noch einen moralischen Anspruch auf die Mittel“. Er fordert die Kassen auf, alle rechtlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Zahlungen zu verhindern.

Eine Sprecherin des Verbands der Angestellten-Krankenkassen sagte, die Forderung der Apotheker sei angesichts gestiegener Gewinne nicht nachzuvollziehen. Dagegen hieß es beim Bundesverband der Betriebskrankenkassen zum Anspruch der Apotheker: „Das steht so im Gesetz.“ Über die Höhe des Ausgleichs müsse das Schiedsgericht entscheiden. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Bundestag, Klaus Kirschner (SPD), forderte, den Passus, der den Apothekern die Nachzahlung garantiert, aus dem Gesetz zu streichen.

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