
„Nationale Verschwörung, Wahlbetrug“: Trumps Anwalt Giuliani verstört mit bizarrem Auftritt
Kommunisten, der verstorbene Präsident von Venezuela, böswillige Software: Trumps Anwälten ist jedes Argument recht. Aber für Giuliani wird es richtig peinlich.
Die Anwälte von Donald Trump tauchen in ihren Attacken gegen den Ausgang der verlorenen Präsidentenwahl immer tiefer in Verschwörungstheorien ab. Sie behaupten unter anderem, die Demokraten hätten die Wahl mit Hilfe von Kommunisten aus Venezuela manipuliert. Außerdem beharren sie auf den mehrfach widerlegten Vorwürfen, bei der Auszählung verwendete Software habe Stimmen für Präsident Trump zugunsten seines siegreichen Herausforderers Joe Biden umgewandelt.
Zugleich verlor die Trump-Seite allein am Donnerstag in Verfahren vor Gerichten in den Bundesstaaten Georgia, Pennsylvania und Arizona. In Georgia dürfte am Freitag der Wahlsieg Bidens in dem Bundesstaat durch die amtliche Bestätigung der Ergebnisse besiegelt werden. Bisher sammelte die Trump-Seite mehr als 30 Schlappen vor Gericht ein, mit einem kleinen Erfolg. Trumps langjähriger Anwalt und Vertrauter Rudy Giuliani stellte weitere Klagen in Aussicht.
Trumps Anwaltsteam erklärte bei einer Pressekonferenz am Donnerstag zugleich, man könne Journalisten angesichts anstehender Verfahren keine Beweise für die Behauptungen präsentieren. Außerdem wollten wichtige Zeugen nicht vor die breite Öffentlichkeit treten.
Das hinderte Giuliani nicht daran, zu sagen: „Wir können nicht zulassen, dass diese Gauner die Wahl von den Amerikanern stehlen. Sie haben Donald Trump gewählt. Sie haben nicht Joe Biden gewählt.“ Alle Wahlbehörden bestätigten bisher, dass es keine Wahlfälschung gab – oder größere Fehler, die das Wahlergebnis in Frage stellen könnten.
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Giuliani behauptete dennoch, er könne beweisen, dass Trump den wichtigen Bundesstaat Pennsylvania in Wirklichkeit nicht verloren, sondern mit einem Vorsprung von 300.000 Stimmen gewonnen habe, und Michigan mit 50.000 Stimmen. Unter anderem seien Stimmzettel mehrfach eingescannt worden. Giulianis Erklärung: „Ich denke, es ist eine logische Schlussfolgerung, dass es einen gemeinsamen Plan gab, der direkt von der Demokratischen Partei und ihrem Kandidaten ausging.“ Auch dazu gab es keine Beweise. Giuliani war einst selbst Staatsanwalt und später Bürgermeister von New York.
Giuliani läuft Haarfärbemittel übers Gesicht
Er forderte, das Wahlergebnis in dem Bundesstaat komplett nicht zu bestätigen. Stattdessen solle das örtliche Parlament – in dem Republikaner die Mehrheit haben – die Wahlleute ernennen. Das Ziel: Diese ernannten Wahlleute sollen am 14. Dezember nicht für den Wahlsieger Biden, sondern für Trump stimmen.
In Michigan hat Trump einen ähnlichen Plan. Er lud republikanische Mitglieder des Parlaments des Bundesstaates zu sich ins Weiße Haus ein. Der Rechtsexperte Lawrence Tribe warnte im TV-Sender CNN, dass ein solches Treffen widerrechtlich sein könnte.
Mit seinen theatralischen Auftritten hat Giuliani immer wieder viel Spott auf sich gezogen, dennoch halten ihn viele für äußerst gefährlich. Bei der Pressekonferenz sprach er mit weit aufgerissenen Augen von einer „nationalen Verschwörung“, attackierte die Demokraten von Wahlsieger Biden als „Gauner“, beschimpfte anwesende Journalisten und zitierte nebenbei die Hollywood-Komödie „Mein Vetter Winnie“ aus den frühen 90ern, um seine Betrugsvorwürfe zu illustrieren.
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Für besonderes Aufsehen sorgte allerdings, dass dem stark schwitzenden Giuliani offenbar Haarfärbemittel seitlich über das Gesicht lief. Fotos des 76-Jährigen mit braunen Streifen auf den Wangen wurden zum Renner in den sozialen Netzwerken.
Bei Trumps Anhängern finden die Theorien Gehör
Giuliani, eine Witzfigur in Diensten des Präsidenten? Das wäre zu einfach, warnten Beobachter sofort. „Die Pressekonferenz waren die gefährlichsten eindreiviertel Stunden Fernsehen in der US-Geschichte“, twitterte der diese Woche von Trump entlassene Leiter der auch für Wahlsicherheit zuständigen Behörde CISA, Chris Krebs. „Und vielleicht die verrücktesten.“
Denn auch wenn viele über Giuliani nur belustigt den Kopf schütteln: Bei Trump-Anhängern findet der Anwalt mit seinen Theorien viel Gehör. Der konservative Nachrichtensender Fox News übertrug die Pressekonferenz live in voller Länge. Trumps Klagewelle mag aussichtslos sein, aber sie untergräbt zweifellos das Vertrauen der US-Bürger in die Wahlen als zentralen demokratischen Prozess. Für besondere Skrupel ist Giuliani allerdings nicht bekannt.

Trumps Anwältin Sidney Powell ging noch weiter: „Womit wir es hier wirklich zu tun haben, ist ein massiver Einfluss kommunistischen Geldes über Venezuela, Kuba und vermutlich China für die Einmischung in unsere Wahl.“ Sie behauptete auch, der 2013 verstorbene venezolanische Präsident Hugo Chavez habe Hintertüren in die Software einbauen lassen, die bei der Auszählung der Stimmen verwendet wurde. Angeblich sei es dadurch möglich gewesen, dass eine für Biden abgegebene Stimme 1,25 Stimmen wert gewesen sei. Die Software wurde nur beim Einscannen von Stimmzetteln verwendet. Die Wahlbehörden betonen, dass es für jede abgegebene Stimme einen Papierbeleg gebe.
Biden in Georgia nach Überprüfung vorn
Die Ergebnisse in einzelnen Bundesstaaten sind der Schlüssel zum Sieg bei einer Präsidentenwahl. Das Staatsoberhaupt wird nicht vom Volk direkt gewählt, sondern von Wahlleuten, die ihre Stimmen gemäß den Ergebnissen in ihrem Bundesstaat abgeben. Der Demokrat Biden hat nach Berechnungen von US-Medien 306 Wahlleute hinter sich, für die Wahl zum Präsidenten benötigt er 270. Trump kommt auf 232 Wahlleute. Pennsylvania ist ein besonders wertvoller Bundesstaat mit 20 Wahlleuten, Georgia bringt 16 Stimmen und Wisconsin 10.
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Abgeschlossen ist inzwischen die manuelle Überprüfung der Stimmen in Georgia. Dort lag Biden vor Beginn der Neuauszählung mit rund 14.000 Stimmen vorn. Nun schrumpfte das Plus auf 12.284 Stimmen.
Das war bereits erwartet worden: Schon vor einigen Tagen wurde festgestellt, dass Wahlkommissionen in zwei von Republikanern beherrschten Bezirken vergessen hatten, mehrere tausend ausgezählte Stimmen in die Rechnung aufzunehmen. Der zuständige Staatssekretär Brad Raffensperger betonte, dass keine Anzeichen für Wahlbetrug gefunden worden seien. Trump kann allerdings immer noch eine Neuauszählung beantragen, weil der Abstand zwischen den Kandidaten unter 0,5 Prozentpunkten liegt. (dpa, AFP)