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Mit einer dramatischen Flucht verabschiedet sich der tunesische Staatschef Ben Ali nach 23 Jahren von der Macht. Er verlässt seine Heimat an Bord eines Flugzeugs. Als mögliches Ziel Ben Alis gilt zunächst die frühere Kolonialmacht Frankreich, das eine Aufnahme aber ablehnt.

© dpa

Nach Massenprotesten: Tunesiens Präsident flüchtet nach Saudi-Arabien

Tunesiens ehemals starker Mann Zine el Abidine Ben Ali ist nach blutigen Protesten zurückgetreten und ins Exil gegangen. Doch auch nach der Flucht des Präsidenten kommt das Land nicht zur Ruhe. In Tunis brannten Gebäude, es kam zu Plünderungen.

Nach der Flucht des tunesischen Präsidenten Zine el Abidine Ben Ali ins saudische Exil geht eine Welle von Plünderungen durch das nordafrikanische Land. Trotz einer Ausgangssperre war es in der Nacht erneut zu Unruhen in der Hauptstadt Tunis gekommen. Am Samstag marschierte Militär im Stadtzentrum auf, zwischen den Rauchsäulen am Himmel kreisten Helikopter. Brandstifter hatten in der Nacht Feuer in einem Bahnhof und einem Supermarkt in Tunis gelegt, der Ben Alis Schwiegersohn gehört. Auch andere Gebäude von Ben Alis Familie waren Ziele der Demonstranten. Mehrere Reiseveranstalter wollten am Wochenende weitere deutsche Urlauber aus dem Unruheland zurückholen.

Der zwischenzeitlich gesperrte Luftraum über dem Land sei wieder geöffnet worden, sagte Thomas-Cook-Sprecher Mathias Brandes. "Wir werden im Laufe des Tages mehrere Sondermaschinen Richtung Tunesien in Gang setzen. Sie sollen unsere verbliebenen 1800 Urlauber zurück nach Deutschland bringen." Auch Rewe-Touristik und Tui wollten ihre Kunden heimfliegen.

Viele Touristen saßen fest, nachdem Ben Ali vor seiner Flucht noch den Ausnahmezustand verhängt und den Luftraum gesperrt hatte.

Nach der Flucht von Präsident Ben Ali ins saudische Exil hatte zunächst Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi am Freitag die Amtsgeschäfte übernommen. Am Samstag ernannte der Verfassungsrat nun Foued Mbazaa (77) zum Interims-Präsidenten. Die Ernennung des bisherigen Parlamentspräsidenten wurde im Staatsfernsehen bekanntgegeben. Mbazaa soll Neuwahlen vorbereiten.

Die Proteste, die sich ursprünglich gegen die hohe Arbeitslosigkeit richteten, hatten sich in den vergangenen Tagen immer mehr zum Aufstand gegen den Präsidenten entwickelt. Ben Ali war am frühen Samstagmorgen im saudi-arabischen Dschiddah eingetroffen.

Ben Ali hatte vergeblich versucht, in Frankreich zu landen

Man habe Ben Ali und seine Familie im Königreich willkommen geheißen, meldete die saudische Nachrichtenagentur SPA. Die Regierung Saudi-Arabiens wünsche Tunesien "Sicherheit und Stabilität" und "stehe an der Seite des tunesischen Volkes", hieß es. Ben Ali hatte nach französischen Medienberichten zuvor vergeblich versucht, in Paris zu landen.

Die Hintermänner der Plünderungen in Tunesien blieben vorerst im Dunkeln. Kriminelle Banden hätten von dem Chaos profitiert und Geschäfte geplündert, sagte der Oppositionspolitiker Mustafa Ben Jaafar am Samstagmorgen dem französischen Sender France Info. Auch Verwaltungsgebäude seien angegriffen worden. Vor Reportermikrofonen äußerten mehrere Tunesier dagegen den Verdacht, dass Angehörige der Miliz das Machtvakuum nutzten und an Plünderungen beteiligt wären.

Das Auswärtige Amt in Berlin riet von nicht unbedingt erforderlichen Reisen nach Tunesien ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich besorgt über die Lage und mahnte eine friedliche Beilegung der sozialen Unruhen an.

Die EU-Kommission dringt ebenfalls auf einen friedlichen Wandel in dem Mittelmeerland. "Wir mahnen alle Parteien, Zurückhaltung zu zeigen und Ruhe zu bewahren, um weitere Opfer und Gewalt zu vermeiden", erklärte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton am Freitagabend in Brüssel. Der Schlüssel für die weitere Entwicklung sei der Dialog.

Auch die USA riefen alle Seiten zur Zurückhaltung auf. Die tunesische Regierung müsse "in diesem Moment des bedeutenden Wandels" das Recht ihres Volkes respektieren, sich friedlich zu versammeln und seine Ansichten zu äußern, erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton. Die Vereinigten Staaten verfolgten die rapiden Entwicklungen ganz genau, so die Außenministerin. Sie rief zu freien und fairen Wahlen in naher Zukunft sowie zu Reformen auf. (dpa)

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