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Gerade in der Gastronomie arbeiten viele Beschäftigte zum Mindestlohn – und erhalten teilweise nicht mal diesen.

© dpa/Sina Schuldt

Exklusiv

Über 25 Millionen Euro Bußgelder: Tausende Firmen tricksen beim Mindestlohn

Eine Kleine Anfrage der Linken zeigt, wie stark Beschäftigte um ihren Lohn gebracht werden. Über 6000 Verfahren wurden 2024 gegen Arbeitgeber eingeleitet. Die IG Bau will sie von öffentliche Aufträgen ausschließen.

Stand:

Über sechs Millionen Beschäftigte in Deutschland dürfen sich zum Jahreswechsel über die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns um 1,08 Euro auf dann 13,90 Euro freuen. Doch auch zehn Jahre nach Einführung des rechtlichen Anspruchs auf eine Lohnuntergrenze ist nicht garantiert, dass diese von Arbeitgebern tatsächlich gezahlt wird.

In ganz Deutschland und allen Branchen werden Beschäftigte um ihren Mindestlohn betrogen, wie aus einer Kleinen Anfrage der Partei Die Linke hervorgeht. Sie liegt dem Tagesspiegel exklusiv vor.

Demnach wurden 2024 bundesweit 6159 Ordnungswidrigkeiten wegen Verstößen gegen das Mindestlohngesetz eingeleitet. Dabei wurden 2538 Bußgeldbescheide und 203 Verwarnungen mit Verwarngeld erteilt. Am häufigsten in Nordrhein-Westfalen (473).

Die meisten Verstöße wurden bei Gaststätten und Beherbergungseinrichtungen festgestellt (2441 Verfahren). Gefolgt von der Speditions- und Logistikbranche (584), dem Baugewerbe (504), Friseur- und Kosmetiksalons (349) und der Personenbeförderung (213).

Das Risiko für Mindestlohnbetrüger, erwischt zu werden, ist nach wie vor gering.

Robert Feiger, IG BAU-Chef

Die beim Zoll angesiedelte und zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) hat Betrieben im vergangenen Jahr Strafzahlungen im Wert von über 25,3 Millionen Euro verhängt.

„Mindestlohnbetrug ist ein gravierendes Problem in Deutschland“, sagte der Bundestagsabgeordnete Cem Ince (Die Linke) dem Tagesspiegel: „Im EU-Vergleich ist die Situation nur in drei Ländern noch dramatischer.“ Befragungen von Beschäftigten zufolge sind rund 2,5 Millionen Menschen davon betroffen.

Die FKS hat die Kontrollkompetenz für über drei Millionen Betriebe und gut 39 Millionen Beschäftigte. Vergangenes Jahr hat sie über 25.000 Arbeitgeber überprüft. Die Aufklärungsquote von Verstößen liegt allerdings seit Jahren nur bei um die 0,25 Prozent. Statistisch gesehen wird jeder Betrieb nur alle 120 Jahre kontrolliert. Die Linke fordert daher mehr Personal für die FKS. „Wir brauchen eine Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die effektiv gegen organisierte Ausbeutung vorgehen kann und den Schutz der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt“, sagt Ince.

Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) hat kürzlich ein Gesetz zur Modernisierung der FKS vorgelegt, um stärker gegen Mindestlohnbetrug und ähnliche Verstöße vorzugehen. Dadurch sollen die Einheit Prüfungen, Ermittlungen und Ahndungen schneller und häufiger durchführen können. Rund eine halbe Milliarde Euro will Klingbeil dafür in neue IT und Personal investieren.

Auch Gewerkschafter halten das für nötig. „Es gibt ein klares Kontrolldefizit“, sagte IG Bau-Chef Robert Feiger dem Tagesspiegel: „Das Risiko für Mindestlohnbetrüger, erwischt zu werden, ist nach wie vor gering.“

Feiger fordert ein zentrales Melderegister, in dem Mindestlohnverstöße erfasst werden. Wer den Mindestlohn unterlaufe, gehöre auf die „Strafbank des Staates“ und solle für eine längere Zeit von Aufträgen der öffentlichen Hand ausgeschlossen werden. „Unternehmen, die nicht einmal Mindestlöhne zahlen, dürfen keine öffentlichen Straßen mehr bauen und keine öffentlichen Schulen mehr reinigen“, sagt der Gewerkschafter.

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