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Wer die Pässe von zwei Ländern hat, hat nicht automatisch Vorteile.

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Doppelpass als Risiko: Unter der Herrschaft zweier Staaten lebt es sich ungemütlich

Wer zwei Pässe hat, hat nicht doppelte Vorteile. Es gibt mehr Nachteile, als viele denken. Ein Zwischenruf.

Ein Zwischenruf von Barbara John

Doppelpass gibt’s nicht nur beim Fußball, sondern auch im Einbürgerungsrecht, aber erst seit 20 Jahren. Am 6. Mai 1999 beschloss der Bundestag das Geburtsortprinzip (ius soli) im Einbürgerungsrecht. Bis zu diesem Zeitpunkt war es ausgeschlossen, dass ein in Deutschland geborenes Kind mit nicht-deutschen Eltern durch Geburt deutsch wurde, also die deutsche Staatsbürgerschaft bekam. Durchgesetzt hatte es die damalige Regierungskoalition aus SPD und Grünen. In Kraft trat das Gesetz im Januar 2000.

Es gilt allerdings nur dann, wenn mindestens ein Elternteil über einen dauerhaften Aufenthaltsstatus verfügt. Diese Kinder sind nicht nur Deutsche, sondern Doppelstaater, denn sie haben automatisch auch die ausländische Staatsbürgerschaft der Eltern.

Die Gesetzesreform war vernünftig, denn in Deutschland geborene Kinder der zweiten, gar dritten Generation brauchen das Gefühl, voll dazuzugehören. Bis 2014 musste diese Gruppe sich vor ihrem 23. Lebensjahr für eine Staatsbürgerschaft entscheiden. Von dieser Pflicht wurde sie 2014 von der großen Koalition entbunden.

Wie viele Doppelstaater es heute gibt, weiß niemand genau. Nach Auswertung verschiedener Quellen könnten es 1,6 oder 4,3 Millionen sein: Aussiedler, Bürger aus EU-Ländern und aus Staaten, die grundsätzlich nicht ausbürgern wie beispielsweise Iran, Afghanistan oder Syrien.

Wie lebt es sich mit zwei Pässen? In vielen Fällen nicht so sorglos, wie es sich viele vorstellen. Wer mit einer Staatsbürgerschaft zufrieden sein muss, der denkt an doppelte Vorteile. Ich nicht, denn unter der „Herrschaft“ zweier Staaten zu stehen, kann ungemütlich werden.

Männliche deutsch-türkische Jugendliche unterliegen der türkischen Wehrpflicht. Sie können sich jedoch „freikaufen"“ mit 2000 Euro (ursprünglich mal 10.000 Euro) und 21 Tagen Wehrausbildung. Doch es kann noch unangenehmer, geradezu gefährlich sein, zwei Pässe zu haben, wie der Fall des Journalisten Deniz Yücel gezeigt hat. Er hat – wie andere auch – erfahren müssen, dass der Türkei der deutsche Teil seiner Doppelstaatlichkeit gar nicht wichtig war.

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