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Ein Lastwagen fährt bei Magdala (Thüringen) auf der Bundesautobahn A4 unter einer Maut Kontrollbrücke durch.

© dpa/Marc Tirl

Update

Unzulässige Nutzung: Deutschland unterliegt bei Lkw-Maut vor Gericht

Die Lkw-Maut kann für Instandhaltung von Straßen und Brücken genutzt werden - aber nicht für die Kosten der Verkehrspolizei. Das hat der EuGH nun klargestellt.

Schlappe für Deutschland bei der Erhebung der Lkw-Maut: Die Kosten für die Verkehrspolizei dürfen in die Berechnung der Höhe dieser Gebühr nicht einfließen. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Mittwoch entschieden und damit einer polnischen Spedition recht gegeben.

Diese hatte in Deutschland Klage auf Rückzahlung der Mautgebühren erhoben. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hatte den EuGH um Klärung gebeten (Rechtssache C-321/19). Der Fall geht jetzt zurück nach Münster, die genauen Folgen sind noch unklar.

Laut EuGH hatte die Spedition für die Nutzung der deutschen Bundesautobahnen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 18. Juli 2011 Mautgebühren in Höhe von insgesamt 12 420,53 Euro bezahlt. Deren Gesellschafter machten als Kläger geltend, die Methode, nach der die Mautgebühren berechnet worden seien, sei unionsrechtswidrig. Sie habe zu einer überhöhten finanziellen Verpflichtung geführt.

Der EuGH urteilte nun, dass bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten zu berücksichtigen seien, also die Ausgaben für Bau sowie Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes.

„Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt“, urteilten die höchsten europäischen Richter. Die Kosten der Verkehrspolizei könnten daher nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der Richtlinie über die Erhebung von Gebühren angesehen werden.

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Dem EuGH zufolge wurden die Infrastrukturkosten wegen der Einberechnung der Verkehrspolizei zwar nur um 3,8 Prozent überschritten. Die Richtlinie stehe aber jeglicher Überschreitung der Infrastrukturkosten durch nicht ansatzfähige Kosten entgegen, fanden die Richter. Sie wiesen auch die Antrag Deutschlands zurück, die Wirkung des Urteils zeitlich zu beschränken.

Der EuGH blieb mit seinem Urteil auf der Linie des Generalanwalts. Der EuGH-Gutachter hatte in seiner Stellungnahme im Juni befunden, dass es gegen EU-Recht verstoße, wenn auch die Kosten für die Verkehrspolizei bei der Maut angesetzt würden.

Was nun auf Deutschland zukommen könnte

Zum einen droht nun, dass Deutschland Mautgebühren zurückerstatten muss. Zum anderen könnte der Bund bei einer möglichen Neuregelung von Infrastrukturkosten künftig Einnahmen verlieren. Der Bund nimmt bisher durch die Lkw-Maut Einnahmen von rund sieben Milliarden Euro im Jahr ein, die für die Fernstraßen verwendet werden.

Welche Summen im Feuer stehen könnten, ist unklar. Das Verkehrsministerium in Berlin hatte sich vor dem Urteil in Schweigen gehüllt. Durch das Urteil könnte auch die Debatte um eine Neufassung der Eurovignetten-Richtlinie, die auch Wegekostenrichtlinie heißt, Fahrt aufnehmen. Sie regelt die Straßenbenutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge.

Die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen wurde 2005 eingeführt. Damit wurde laut Verkehrsministerium ein Systemwechsel vollzogen - weg von der Steuer- und hin zur Nutzerfinanzierung des Fernstraßenbaus. Denn gerade schwere Lastwagen verschleißen die Straßen. Inzwischen ist die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet worden. Sie gilt für Lastwagen ab 7,5 Tonnen. Bei der Abgabe gibt es eine Differenzierung nach dem Schadstoffausstoß der Fahrzeuge.

Die Gesamteinnahmen beliefen sich im vergangenen Jahr auf rund 7,5 Milliarden Euro. Knapp 50 Millionen flossen an die Kommunen. In Zeiten der Corona-Pandemie werden wegen einer geringeren Fahrleistung in diesem Jahr sinkende Einnahmen erwartet.

Ein wesentlicher Bestandteil der Infrastrukturkosten sind laut Berechnung der Wegekosten für das Bundesfernstraßennetz für die Jahre 2018 bis 2022 Betriebs-, Unterhaltungs- und Mauteinzugskosten sowie Aufwendungen für die Polizei.

Pläne für eine deutsche Pkw-Maut hatte der EuGH im Juni 2019 gekippt, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist deswegen schwer unter Druck. Wegen möglichen Verstößen gegen das Haushalts- und Vergaberecht läuft ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. (dpa)

Klaus Blume, Andreas Hoenig

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