Politik: „Urteil wirft Bemühungen weit zurück“ NRW-Minister über Koran-Richterspruch
Berlin - Die Entscheidung einer Familienrichterin aus Frankfurt am Main hat vor Tagen einhellige Empörung ausgelöst. Die Richterin hatte einer Frau die rasche Scheidung von ihrem gewalttätigen marokkanischen Ehemann mit der Begründung verweigert, der Koran erlaube Züchtigung der Ehefrau.
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Berlin - Die Entscheidung einer Familienrichterin aus Frankfurt am Main hat vor Tagen einhellige Empörung ausgelöst. Die Richterin hatte einer Frau die rasche Scheidung von ihrem gewalttätigen marokkanischen Ehemann mit der Begründung verweigert, der Koran erlaube Züchtigung der Ehefrau. Doch die Richtung, in die einige Empörte zielten, sehen andere mit gemischten Gefühlen. So war etwa der jüngste „Spiegel“-Titel „Haben wir schon die Scharia?“ Thema mehrerer kritischer Beiträge auf einer Veranstaltung des renommierten „Civis“-Medienpreises (siehe Seite 31). Wir sprachen mit Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet über das Urteil und falsche und nötige Folgerungen.
Herr Laschet, der aktuelle „Spiegel“ zitiert Sie mit den Worten, die Entscheidung der Richterin sei „das vorläufig letzte Glied einer Kette erschreckender Urteile deutscher Gerichte“. Wie sieht die Kette sonst aus?
Ich kenne eine ganze Liste „kulturbedingter Straftaten“, bei denen Richter zum Beispiel Ehrenmorde nur als Totschlag werteten.
Also würden Sie die Frage des „Spiegel“-Titels, ob wir hier schon die Scharia haben, mit Ja beantworten?
Keineswegs. Die Frankfurter Entscheidung hat nichts mit dem Auftreten von Muslimen in Deutschland zu tun. Sie hat vielmehr großen Schaden angerichtet, den die Muslime zu tragen haben. Sie stehen jetzt wieder als Anhänger einer Religion da, die Gewalt in der Ehe befürwortet. Das wirft alle Integrationsbemühungen weit zurück.
Islamkritiker zitieren da einschlägige Koranverse – auch die Familienrichterin aus Frankfurt hat das getan.
Religiöse Texte können nicht ewig auf dieselbe Weise gelesen werden. Die islamischen Verbände sagen uns, dass Gewalt im Gegenteil ein Scheidungsgrund im Koran ist. Es ist schließlich auch nicht mehr Lehre der katholischen Kirche, dass die Frau dem Manne untertan zu sein hat, wie noch der Apostel Paulus schrieb.
Einige Schlagzeilen um den Frankfurter Fall zeigen, dass das so klar nicht ist.
Die öffentliche Debatte ist da in einer Schieflage. Dramatisierungen helfen keinem weiter.
Und was hilft gegen Entscheidungen wie die in Frankfurt?
Wir brauchen Richter, die selbstbewusst deutsches Recht sprechen und nicht versuchen, den Koran auszulegen. Ich habe den Eindruck, dass es sich manche auch recht bequem machen, indem sie sich Menschen gegenüber, die ihnen fremd erscheinen, auf angebliche kulturelle Hintergründe berufen.
Das Gespräch führte Andrea Dernbach.
Armin Laschet (46) ist Deutschlands einziger Landesminister für Integration. Zum Ressort des nordrhein- westfälischen CDU-Manns gehören zudem „Generationen, Familie und Frauen“.
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