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Deljan Peevski (rechts) ist einer der reichsten und einflussreichsten Oligarchen Bulgariens. Viele sagen, in seinem Land sei er allmächtig.

© REUTERS

US-Sanktionen: Bulgariens Mafia in Bedrängnis

US-Finanzbehörden verhängen Sanktionen wegen Korruption – die EU hat lange beim Thema Bulgarien weggesehen.

Skandale und Affären prägten das Jahrzehnt, in dem Boiko Borissov – mit Unterbrechungen – an der Spitze der bulgarischen Regierung stand. Die Korruption in dem EU-Mitgliedsland war endemisch, weder die Verantwortlichen in Sofia, noch die Kommissare in Brüssel taten dagegen nennenswertes.

Am vergangenen Mittwoch nun hat das US-Finanzministerium Wirtschaftssanktionen gegen mehrere bulgarische Prominente verhängt – und damit auch die EU beschämt. Der Unternehmer Deljan Peevski und weitere Politiker, Unternehmer und Beamte sind betroffen. Jeder, der mit ihnen geschäftliche Kontakte pflegt, muss jetzt mit Schwierigkeiten durch die US-Finanzbehörden rechnen.

Dies könnte auch Borissov betreffen. Seine Regierung hat Peevski nicht nur jahrelang gedeckt, sondern gefördert. Seit seiner Entmachtung Mitte Mai brechen die Unanehmlichkeiten über Borissov herein. Kein Tag vergeht, an dem die neuen Minister nicht gegen ihn und die Funktionsträger seiner konservativen Partei „Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens“ (Gerb) Vorwürfe von Machtmissbrauch und Korruption erheben.

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Der diensthabende Innenminister Boiko Raschkov beschuldigte die Staatliche Agentur für Nationale Sicherheit (Dans), vor der Parlamentswahl Anfang April Dutzende Oppositionspolitiker abgehört zu haben. Momentan vernichte sie das dabei entstandene Material und alle Spuren, sagt Raschkov.

Wirtschaftsminister Kiril Petkov feuerte zwei Aufsichtsratsmitglieder der für Mittelstandsförderung zuständigen staatlichen Bank für Entwicklung (BBR). Sie habe in den vergangenen Jahren fast ihr gesamtes Kreditbudget an Großunternehmer vergeben, die Borissov nahestehen.

Sozialisten protegierten ihn

Davon soll auch der frühere Abgeordnete der Partei der bulgarischen Türken Bewegung für Rechte und Freiheiten (DPS) und Medienunternehmer Deljan Peevski profitiert haben. Rund 250 Millionen Euro sollen laut Petkov an dessen Firmen geflossen sein. Peevski selbst stand aber nicht nur Borissov nahe. Die Sozialisten hatten ihn unter ihrer Regierung 2013 zum Chef der Sicherheitsagentur Dans gemacht, was seinerzeit die größten Proteste nach dem Fall der Kommunisten zur Folge hatte.

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Als Abgeordneter stand Peevski stets offiziell in Opposition zur Gerb-Regierung, doch die ihm gehörenden Tages- und Wochenzeitungen boten dem Kabinett Borissov stets unverhohlenen Medienkomfort, und sie diskreditierten Regierungskritiker erbarmungslos. Die nun enthüllten Kredite der staatlichen Entwicklungsbank für Peevskis Firmen machen den scheinbaren Widerspruch zwischen seiner politischen Parteizugehörigkeit und der redaktionellen Linie seiner Medien erklärlich.

Vasil Boschkov aka Tscherepa („der Schädel“) ist der zweite Prominente, den die Sanktionen des US-Finanzministeriums treffen. Mit seinem Milliardenvermögen gilt der Glücksspielmagnat als der Reichste Bulgare. Laut Sanktionsbegründung des US-Finanzministerium soll er sich „Staatsbedienstete und einen gegenwärtigen politischen Führer gekauft“ haben. Wer damit gemeint sein könnte, ist nun in Sofia Gegenstand von heftigen Spekulationen. „Der Schädel“ Boschkov behauptet, dabei handle es sich um Boiko Borissov. Er habe Borissov zwar nicht gekauft, dieser habe ihn aber seit 2014 systematisch erpresst und dabei viele Millionen kassiert.

Als Abgeordneter will er Immunität

Im Januar 2020 entzog die parlamentarische Regierungsmehrheit mit ihrer Novellierung des Glücksspielgesetzes Boschkov die Geschäftsgrundlage. Kurz darauf bezichtigte ihn die Staatsanwaltschaft einer Reihe von Straftatsbeständen von Steuerhinterziehung über Massenvergewaltigung bis zur Vergabe von Auftragsmorden. Drohender Strafverfolgung entfloh der Schädel mit seinem Privatjet Richtung Dubai. Von dort nahm er den propagandistischen Kampf gegen die „Borissov-Junta“ auf.

Bei den bevorstehenden Wahlen strebt Vasil Boschkov mit seiner neugegründeten Partei „Bulgarsko Ljato“ („Bulgarischer Sommer“) den Einzug ins Parlament ein. Sein Hintergedanke: Eine Wahl zum Abgeordneten würde ihm Immunität vor Strafverfolgung verschaffen.

Die USA erklärten, sie wollten mit den Sanktionen »die Rechtsstaatlichkeit und die Stärkung demokratischer Institutionen in Bulgarien unterstützen«. Das EU-Parlament wird nun eine Erkundungs- Mission nach Sofia entsenden.

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