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Unruhen: Usbekistan: Unheilvolle Allianz von Armut und Extremismus

An der einstigen Seidenstraße droht ein Gemisch aus Armut, islamischen Hasspredigten und staatlichen Repressionen zu explodieren.

Taschkent/Moskau (13.05.2005, 19:24 Uhr) - Die zum usbekischen Teil des Fergana- Tals gehörende Provinz Andischan, in der am Freitag blutige Unruhen mit zahlreichen Toten ausbrachen, gilt seit langem als Hochburg radikaler Islamisten. Die auch in Deutschland verbotene Organisation Hisb-ut-Tahrir will dort einen muslimischen Gottesstaat errichten.

Auslöser für die Gewalt in Andischan war ein umstrittener Strafprozess gegen 23 wohlhabende Geschäftsleute, denen enge Verbindungen zu einer islamistischen Terrororganisation zur Last gelegt werden. Die Beschuldigten bestreiten dies. Angebliche Verwandte und Freunde der Angeklagten raubten Waffen aus einer Kaserne und erzwangen damit die Freilassung der Inhaftierten sowie tausender weiterer Häftlinge aus dem Gefängnis. Über Tage hatten zuvor tausende Menschen im Zentrum von Andischan gegen den Prozess protestiert und den Rücktritt der Staatsführung in Taschkent gefordert.

Die frühere Sowjetrepublik wird vom autoritären Präsidenten Islam Karimow mit Repressionen statt mit Reformen regiert. Der ehemalige KP-Chef propagiert einen gemäßigten Staatsislam und verfolgt die Opposition. Nach Schätzungen von Amnesty International sitzen derzeit 8000 Regimegegner in Gefängnissen. Die Menschenrechtsorganisation wirft der Regierung Folter und Misshandlungen von Häftlingen vor.

Die reale Gefahr eines radikalen Islamismus für Staat und Gesellschaft in Usbekistan ist umstritten. Kritiker behaupten, die autoritäre Führung schaffe sich durch ihre Unterdrückungsmaßnahmen erst jene Feinde, die sie dann bekämpfe. Im letzten Jahr erschütterte eine Reihe von Anschlägen Taschkent und die historische Stadt Buchara. Es wird vermutet, dass es enge Verbindungen zwischen den extremistischen Gruppen und der mächtigen Drogenmafia im Land gibt.

Sowohl die USA als auch Deutschland haben in Usbekistan Soldaten stationiert. Etwa 300 Angehörige der Bundeswehr versorgen von der südusbekischen Stadt Termes aus die deutschen Truppen im angrenzenden Norden Afghanistans. Karimow sieht sein Vorgehen gegen Islamisten als Beitrag zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus. Nach massiven Klagen von Menschenrechtsgruppen rückte die Führung in Washington deutlich vom strategischen Verbündeten in Taschkent ab.

Das verarmte Fergana-Tal ist mit sieben Millionen Bewohnern die am dichtesten besiedelte Region in Zentralasien. Das Konfliktgebiet gehört größtenteils zu Usbekistan, erstreckt sich aber auch auf das Territorium von Kirgisien und Tadschikistan. Vom Fergana-Tal führt nur eine Hauptstraße zur knapp 300 Kilometer entfernten usbekischen Hauptstadt Taschkent.

Westliche Experten sehen die Gründe für die andauernden Konflikte im fruchtbaren, aber überbevölkerten Fergana-Tal weniger im religiösen Fanatismus als in der alltäglichen Not. «Wir sind keine Extremisten. Wir wollen Demokratie und Arbeit», riefen die bis zu 50 000 Demonstranten auf dem Platz von Andischan. Stunden später schossen Militärs nach Augenzeugenberichten wahllos in die Menge. (Von Stefan Voß, dpa)

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