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Muslimische Rohingya fliehen von Myanmar ins benachbarte Bangladesch.

© dpa/Bernat Armangue

UN-Bericht zu Staatenlosen: Vereinte Nationen wollen 10 Millionen Menschen Papiere und Rechte verschaffen

Staatenlose Menschen wie die Rohingya in Myanmar werden diskriminiert, verfolgt, getötet. Die UN wollen die Rechtlosigkeit bis 2024 beenden.

Es ist eine Geschichte des Leids. „Ich fühlte mich als Sklavin“, sagt die 51-jährige Amina Kassim. Jahrzehntelang hatte ihr Heimatland Kenia ihr die Staatsbürgerschaft verweigert. Im Oktober 2016 aber erkannte das Land die Volksgruppe der Makonde, zu der auch Amina gehört, als Staatsbürger an. „Ich fühle mich wie wiedergeboren“, erzählte Amina den Mitarbeitern des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR). Die etwa 4.000 Angehörigen der Makonde hatten Glück. Zehn Millionen Menschen hingegen – wie die Rohingya aus Myanmar – leben weiter ohne Staatsbürgerschaft. Sie werden diskriminiert, verfolgt, getötet.

Die Vereinten Nationen machen sich nun für diese Ausgestoßenen stark. „Die Staaten müssen entschlossen handeln, um die Staatenlosigkeit zu beenden“, fordert der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi. Sein Ziel: Bis 2024 sollen alle Staatenlosen in den Genuss einer Staatsbürgerschaft gelangen – auch die Minderheit der muslimischen Rohingya. Mehr als 600.000 Rohingya sind bereits von Myanmars Armee vertrieben worden. Sie sind ins benachbarte Bangladesch geflohen. Und es kommen täglich Schutzsuchende hinzu. Die improvisierten Camps sind schon lange völlig überfüllt, die dortigen Lebensbedingungen katastrophal.

Bedrohte Rohingya-Minderheit

Bei ihrem ersten offiziellen Besuch in der Unruheregion Rakhine hat sich Myanmars De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi mit Vertretern der verfolgten Rohingya-Minderheit getroffen. Die Friedensnobelpreisträgerin besichtigte am Donnerstag zerstörte Dörfer in den Regionen Maungdaw und Buthidaung nahe der Grenze zu Bangladesch. Am Abend reiste sie wieder ab.

Aung San Suu Kyi hatte lange zu dem Konflikt geschwiegen. Im Ausland wurde sie zum Teil scharf dafür kritisiert, dass sie ihre moralische Autorität als Nobelpreisträgerin nicht einsetzt, um den bedrängten Rohingya beizustehen. Erst Mitte September brach Suu Kyi ihr Schweigen und sprach erstmals „Menschenrechtsverletzungen“ gegen die Rohingya öffentlich an.

Zuletzt hatte sie argumentiert, dass der Konflikt abflaue und nun der Wiederaufbau der Unruheregion starten könne. Bei ihren Besuch am Donnerstag wurde Suu Kyi von dem prominenten Geschäftsmann Zaw Zaw begleitet. Dieser gehört zu einer Gruppe von Unternehmern, die als Profiteure der früheren Militärjunta gelten und eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau spielen sollen. Kritiker fürchten, dass sich diese Geschäftsleute profitable Verträge zulasten der Rohingya-Minderheit sichern wollen.

Auch für Europa wird das Thema wichtig

Der Konflikt zwischen der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung und der muslimischen Minderheit in Myanmar war Ende August eskaliert, als Rohingya-Rebellen Soldaten und Polizisten angriffen und Dutzende Sicherheitskräfte töteten. Das Militär reagierte mit brutaler Gegengewalt. Hunderte Menschen wurden getötet, ihre Häuser niedergebrannt. Viele Rohingya flohen deshalb nach Bangladesch.

In Asien und in Afrika fristen die meisten Staatenlosen ihr Dasein. Auch in Europa gewinnt das Problem an Relevanz. Unter den Flüchtlingen und Migranten, die das Mittelmeer überqueren, befinden sich viele Menschen ohne Papiere. „Die Schwierigkeiten der Geflohenen, die staatenlos sind, fangen schon bei der Registrierung an“, sagt Adrian Edwards, Sprecher des UN-Flüchtlingshilfswerks.

Staatenlose sind vielerorts von Gesundheitsversorgung und Schulbildung ausgeschlossen. Sie finden keine Arbeit. Sie dürfen weder eine Immobilie erwerben noch ein Bankkonto eröffnen. Sogar die Heirat wird ihnen vielfach nicht gestattet. Besonders Kinder leiden unter dem Schicksal. Sie leben in „einem Schatten“, sie fühlen sich wie „Straßenhunde“. Das sind Aussagen von staatenlosen Mädchen und Jungen, die das UNHCR gesammelt hat.

In Sicherheit und Würde

Wie werden Menschen staatenlos? Neben der Ausgrenzung von Minderheiten wie den Rohingya verursachen vor allem bewaffnete Konflikte wie in Syrien und das Auseinanderbrechen von Staaten wie im Fall der früheren Sowjetunion Staatenlosigkeit. Auch Lücken im Gesetz und das Fehlen von Geburtsregistern können Menschen zu einem Leben „im Schatten“ verurteilen. Um den Staatenlosen aber ein Leben in Sicherheit und Würde zu ermöglichen, listet Hochkommissar Grandi konkrete Forderungen auf.

Die Staaten sollten alle Gesetze aufheben, die Menschen aufgrund von Ethnie, Religion oder Sprache eine Einbürgerung verwehren. Auch müssten Staaten allen Kindern, die auf ihrem Territorium geboren werden, die Nationalität gewähren. Und alle Mütter sollten das Recht haben, ihre Staatsbürgerschaft auf die Kinder zu übertragen. Es gehe darum, allen Menschen die „gleichen grundlegenden Rechte zu geben“, fordert UN-Hochkommissar Grandi. (mit AFP)

Jan Dirk Herbermann

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