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„Glauben Sie eigentlich, dass ich Ihre persönliche Prostituierte bin?“: Schlammschlacht zwischen AfD-Vermieter und Partei vor Gericht
Der Vermieter der AfD will die Partei rauswerfen. Ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt? Am Freitag eskalierte der Streit vor Gericht.
Stand:
Gericht oder Theaterbühne? Das Spektakel im Landgericht Berlin lässt einen eindeutigen Schluss bisweilen nicht zu. Angetreten sind an diesem Freitagvormittag die AfD und der Vermieter ihrer Bundesgeschäftsstelle. Letzterer fordert den sofortigen Auszug.
Eigentlich geht es hier um trockenes Mietrecht. Um Verträge, Akten, Belege, Rechtsauslegung. Aber gleichzeitig auch ums Grundgesetz, um Bedrohung, Beleidigung, Gewalt.
Punkt zehn Uhr eröffnete der Vorsitzende Richter Burkhard Niebisch die Sitzung in Saal 100. Grüne Wände, hohe Decken voller roter Sterne. Drei Justizbeamte sorgen für Sicherheit und Ablauf. Im Zuschauerraum tippen Dutzende Pressevertreter auf ihren Laptops.
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Auf AfD-Seite sitzen vier Vertreter vor zwei dicken, roten Aktenordnern. Gegenüber der Österreicher Lukas Hufnagl für die Vermieterseite, die „Quercus Grund GmbH“ sowie sein Anwalt.
Hufnagl kann sich in den nächsten zwei Stunden nur mühsam beherrschen, fällt Richter und Gegenseite ins Wort, spielt nervös mit einem Kugelschreiber.
Unstrittig ist, was der Vorsitzende Richter zu Beginn feststellt: Man hat drei Mietverträge miteinander abgeschlossen. Am Abend der Bundestagswahl hat die Partei eine Wahlparty in ihrer Geschäftsstelle gefeiert, „nachdem sie keine anderen Räumlichkeiten in Berlin dazu gefunden hat“.

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Presse, Gäste, Stehtische, Zaunelemente, eine angestrahlte Innenfassade – alles ist dokumentiert. Der Vermieter will nun eine außerordentliche Kündigung durchsetzen. All das sei nicht erlaubt gewesen.
Zunächst wird in der Güteverhandlung ein Kompromiss gesucht. Die AfD bietet höhere Miete und einen Auszug bis zum 31. Dezember 2026 an. Bisweilen geht es zu wie auf dem Basar. Anwälte und Vertragsparteien streiten, reden durcheinander, Klägeranwalt Malte Monjé ruft: „Das ist mehr, als Ihnen zusteht. Das wäre eine Verlängerung.“
Vermieter Hufnagl fordert: „Dann lassen Sie uns doch mal hören, wie die Mieterhöhung aussehen könnte.“ Im Übrigen hätte er Geschäftsstellenleiter Hans-Holger Malcomeß und AfD-Bundesschatzmeister Carsten Hütter gerne im Zeugenstand.
Glauben Sie eigentlich, dass ich Ihre persönliche Prostituierte bin?
Vermieter Lukas Hufnagl
Auf Mieterseite vertritt Bundesvize Kay Gottschalk die Partei und sagt, er „würde bitten, persönliche Eitelkeiten und persönliche Befindlichkeiten außen vorzulassen“.
Hufnagl kontert, es werde einen Grund dafür geben, „dass Sie intern Lügen-Kay genannt werden“. Es folgt ein Streit über den Kontakt zwischen den Vertragspartnern. Hufnagl ruft: „Sie haben doch nur Schiss um ihren Sitz im Bundesvorstand, der sowieso im nächsten Jahr ausläuft.“ Das Angebot der AfD sei „an Absurdität nicht zu überbieten“. Hufnagl redet sich in Rage, fragt: „Glauben Sie eigentlich, dass ich Ihre persönliche Prostituierte bin?“
Die Sitzung wird unterbrochen. Die AfD überlegt sich ein Angebot. Im Anschluss bietet die Beklagte fünf Prozent mehr Miete an und den Auszug im November nächsten Jahres. Hufnagl lacht, sagt: „Gut, auf dieser Basis gibt es keine Einigung.“ Es folgt ein weiterer Schlagabtausch.
Fast eine Dreiviertelstunde ist vergangen, als Richter Burkhard Niebisch zum ersten Mal sichtlich ungehalten einschreitet und ermahnt, dass man sich hier nicht gegenseitig zu unterbrechen habe: „Leute, die eine gescheite Schulerziehung genossen haben, haben das in der ersten Klasse gelernt.“ Nun hält man sich zurück.
Um 10.45 Uhr stellt der Vorsitzende fest, dass die Güteverhandlung gescheitert, ein Kompromiss nicht möglich sei.
Dann kündigt Niebisch an, dass er ein Urteil nicht an diesem Tag verkünden werde – nicht ungewöhnlich bei Verfahren dieser Art.

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Doch dann geht der Vorsitzende Richter noch einmal alles durch, was beide Parteien im Verfahren vorgetragen haben.
Eine Kernfrage ist, ob die Partei aufgrund der Wahlparty rausgeworfen werden darf – also aufgrund dessen eine fristlose Kündigung gerechtfertigt wäre. Schwierig, so könnte man die Bewertung des Vorsitzenden zusammenfassen. Es geht um angebliche Schmiergeldzahlungen und angebliche Gewaltandrohungen, um immer neue Gründe, die der Vermieter in der Vergangenheit vorgebracht hatte, um eine Kündigung zu rechtfertigen.
Doch Richter Burkhard Niebisch sieht zeitliche Probleme. Eine fristlose Kündigung könne nicht auf Vorfälle gestützt werden, die mehr als ein Jahr zurückliegen.
Gottschalk grinst, macht sich Notizen.
In puncto Wahlparty sieht der Richter dagegen „ganz klare Vertragsverstöße“. Als er zu Nutzung und Sondernutzung referiert, schallt von AfD-Seite ein lauter Jagdhornton durch den Saal. Offenbar hat jemand vergessen, sein Handy auszuschalten. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, murmelt Niebisch kopfschüttelnd und fährt unbeirrt fort, es reiche bei einer Wahlparty nicht aus, den Hausmeister zu fragen.
Gottschalk grinst nicht mehr.
Auch das Anstrahlen am Wahlabend, die Zäune mit AfD-Werbung – alles unzulässig. Aber: Vor einer fristlosen Kündigung hätte nach deutschem Recht eine Abmahnung stehen müssen.
Die hatte der Vermieter versäumt auszusprechen.
Fraglich ist nun, ob diese entbehrlich gewesen wäre – etwa weil zu erwarten gewesen wäre, dass die AfD sich davon nicht hätte beeindrucken lassen. Doch das hält der Richter für unwahrscheinlich. Zudem seien Nachbarn nicht beeinträchtigt worden.
Sogar das Grundgesetz zitiert Niebisch und spricht über die Willensbildung von Parteien.
Gottschalk nickt eifrig.
Es geht auch darum, dass die Mieterin hier keine beliebige Firma ist, sondern die AfD. Niebisch führt aus, dass Zivilrichter nicht an die Einstufung von Behörden gebunden seien - etwa des Bundesamts für Verfassungsschutz.
Gottschalk grinst seinem Sitznachbarn zu. Der Vorsitzende hält hier jedoch kein Plädoyer gegen die Einstufung der Partei als rechtsextremistisch, wie die AfD später argumentieren wird, sondern betont, er könne solche Vorgänge offiziell nur nachvollziehen, wenn ihm konkrete Informationen geliefert würden – und sieht dabei die Klägerseite an.
Fristlose Kündigung nicht gerechtfertigt
Im Ergebnis, so hält Niebisch fest, lägen Vertragspflichtverletzungen vor, die allerdings eine außerordentliche, fristlose Kündigung mangels vorheriger Abmahnung nicht rechtfertigten.
Hufnagl versucht nun noch, die AfD als unmögliche Vertragspartnerin darzustellen, spricht von Bedrohung, Beleidigungen, behauptet, seine Gegenüber in der AfD-Geschäftsstelle hätten ihn als Agenten des Mossad bezeichnet. Währenddessen sitze seine Frau zu Hause und heule, privat habe er umziehen müssen. „Hühnerdiebe“, seien die AfD-Vertreter und im Übrigen hätte es keine Probleme gegeben, wenn Kay Gottschalk sein Ansprechpartner wäre, nicht Hütter und Malcomeß. Gottschalk weist die Vorwürfe zurück.
Der Richter kündigte ein Urteil für nächste Woche Freitag um 9 Uhr an. Mit Blick auf die heutige Verhandlung wird die AfD wohl vorerst in ihren Räumen bleiben dürfen.
„Wir planen und prüfen den Kauf von Immobilien“, hatte Gottschalk im Vorfeld gesagt. Die aktuelle Geschäftsstelle komme dabei nicht in Frage.
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