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Das Betrugsvolumen betrug zwischen 2016 und 2020 mindestens 227 Millionen Euro.

© Daniel Reinhardt/dpa

Verstorbene Pächter, Urkundenfälschung, Bestechung: So werden in der EU Agrarfördergelder erschwindelt

Die EU-Kommission soll wachsamer gegenüber Betrügern sein, die nur auf dem Papier Landwirtschaft betreiben. Das fordert der Europäische Rechnungshof.

Die Brüsseler Kommission und die EU-Mitgliedstaaten müssen noch mehr unternehmen, um dem Betrug mit Agrarsubventionen entgegenzuwirken. So lautet das Fazit eines Berichts, den der EU-Rechnungshof am Montag in Luxemburg vorstellte. Laut dem Prüfbericht wird in Brüssel nicht genug getan, um insbesondere gegen die Praxis der „illegalen Landnahme“ vorzugehen.

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Bei der „illegalen Landnahme“ erwerben Betrüger Flächen nur zum Schein, um anschließend EU-Gelder kassieren zu können. So wird in dem Bericht auf eine Untersuchung der europäischen Betrugsbekämpfungsbehörde (Olaf) aus dem Jahr 2017 verwiesen.

Millionenbetrug im Jahr 2017 in Italien

Damals stellten Olaf und eine italienische Polizeieinheit, die dem Finanzministerium in Rom unterstellt ist, fest, dass eine Reihe von Personen in die Datenbank der nationalen Zahlstelle aufgenommen worden waren, die sich nur zum Schein als Bauern ausgegeben hatten. Der Schaden für die EU-Steuerzahler betrug nach Angaben von Olaf seinerzeit rund 32 Millionen Euro.

Im betreffenden Fall stützten sich die bei der EU eingereichten Förderanträge unter anderem auf falsche Pachtverträge, weil die Pächter entweder verstorben waren oder von der Pacht nichts wussten. In einem anderen Fall in Frankreich wurden über Jahre hinweg Anträge für Parzellen in Berggebieten gestellt, obwohl dort gar keine Agrarwirtschaft möglich war: Wasserversorgung, Gehege und Fütterungsanlage fehlten. Die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde stellten damals fest, dass Hilfszahlungen für Herden ausgezahlt wurden, die gar nicht existierten.

Großes Betrugsrisiko in der Berglandwirtschaft

Die EU müsse „sicherstellen, dass EU-Gelder tatsächlich auch die legitimen Empfänger erreichen“, forderte das Rechnungshofsmitglied Nikolaos Milionis, der die Prüfung leitete. Nach den Angaben des Rechnungshofs reichen die Betrugspraktiken bei der „illegalen Landnahme“ von Urkundenfälschung über politische Einflussnahme bis zur Bestechung. Die Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf geht davon aus, dass es bei diesen Betrügereien häufig um öffentliche oder private Flächen geht, bei denen die Eigentumsverhältnisse unklar sind. Ein Betrugsrisiko gebe es auch in der Berglandwirtschaft, weil dort schwieriger zu kontrollieren sei, ob etwa die verlangte Weidehaltung tatsächlich stattfindet.

Der Agrarhaushalt macht den größten Posten im mehrjährigen EU-Etat aus. Zwischen 2016 und 2020 beliefen sich die gemeldeten Betrugsfälle nach Angaben der Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf auf 0,09 Prozent der gesamten Zahlungen aus dem Agraretat. Bei einem mehrjährigen Haushaltsvolumen von 262 Milliarden Euro landeten demnach rund 227 Millionen Euro bei Empfängern, welche die Zuwendungen erschwindelt hatten. Nach den Worten des EU-Rechnungsprüfers Milionis ist das tatsächliche Betrugsvolumen aber wahrscheinlich größer. Milionis warf insbesondere der für die Landwirtschaft zuständigen Generaldirektion in Brüssel vor, sich mit der Praxis der „illegalen Landnahme“ nicht ausreichend befasst zu haben.

Die EU-Kommission soll das Problem der "illegalen Landnahme" genauer unter die Lupe nehmen, fordert der Rechnungshof.
Die EU-Kommission soll das Problem der "illegalen Landnahme" genauer unter die Lupe nehmen, fordert der Rechnungshof.

© Getty Images/iStockphoto

Der EU-Rechnungshof setzt darauf, dass der Prüfbericht der EU-Kommission und den Mitgliedstaaten dabei hilft, die Betrugsbekämpfung im Rahmen der neuen gemeinsamen Agrarpolitik auszubauen. Diese EU-Agrarreform greift ab dem kommenden Jahr. Bei der Reform gelten neue Anforderungen für Landwirte, die eine Unterstützung aus Brüssel erhalten wollen. Dabei sollen unter anderem mehr Flächen bereitgestellt werden, um Biodiversität und den Erhalt von Lebensräumen zu verbessern.

Wirtschaftliche Verflechtungen bei Kleinbetrieben

Mit der EU-Agrarreform sollen zudem vor allem kleinere und mittlere Betriebe stärker gefördert werden. Allerdings mahnen die Prüfer aus Luxemburg an, dass vor der Auszahlung von EU-Geldern sichergestellt werden müsse, dass kleine und mittelgroße Agrarbetriebe wirklich unabhängig wirtschaften. Betrug kommt immer dann ins Spiel, wenn solche Betriebe Verbindungen zu größeren Unternehmen verschweigen.

So erhielt eine litauische Genossenschaft eine Investitionsförderung für den laufenden Betrieb und die Vermarktung in Höhe von 200.000 Euro. Wie der Rechnungshof allerdings feststellte, gehörte die Genossenschaft zu einem großen multinationalen Unternehmen und war daher gar nicht förderwürdig.

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