Irak: Videoband-Drahtzieher in Deutschland vermutet
Untertitel in grammatikalisch perfektem Deutsch, österreichische Postkartenmotive im Hintergrund: Die jüngsten Terror-Videos aus dem Irak geben Rätsel auf. Sicherheitsexperten befürchten indes eine "Irakisierung Afghanistans".
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Berlin - Beim neuen Terrorvideo "Stimme des Kalifats" werden die Drahtzieher in Deutschland vermutet. Das war aus Sicherheitskreisen in Berlin zu erfahren. Die Videobotschaft, in der am Sonntag der Abzug der deutschen Soldaten aus Afghanistan gefordert wurde, war von einem laufenden Untertitelband in grammatikalisch gutem Deutsch begleitet.
Es gibt Vermutungen, dass der Inhalt der Botschaft auf die Webseite eines Servers in der Bundesrepublik aufgespielt wurde. Danach soll das Video von dieser Webseite abgerufen und gesendet worden sein. Der Text habe nur von Deutschen oder von in Deutschland lebenden Moslems der zweiten oder dritten Generation mit einwandfreien Grammatikkenntnissen stammen können, berichtete ein Fahnder.
Als "sehr beachtenswert" wird auch die Darstellung mit dem vermummten Araber in dem Video bezeichnet. Während er wie ein Nachrichtensprecher hinter einem Tisch stehend auf Arabisch die Forderungen verkündete, lief der Untertitel in deutscher Sprache: "Die Teilnahme Deutschlands am Krieg der Verlierer-Staaten von Amerika gegen den Islam und die Muslime wird zu nichts führen, außer dass es zu mehr Drohungen kommt und dass Deutschland Gefahren in seinem Land erleben wird". Die deutschen Soldaten sollten aus Afghanistan abgezogen werden, "denn sonst werdet ihr an dem Tag bereuen, an dem euch keine Reue mehr nützt".
Postkartenmotive aus Österreich im Hintergrund
Für Rätselraten sorgt bei den Geheimdiensten, dass gleichzeitig Österreich aufgefordert wurde, seine vier Stabsoffiziere vom Hindukusch abzuziehen. Auch Österreich wurde mit Anschlägen gedroht. Als neu wird gewertet, dass hinter dem Sprecher auf dem Video deutsche Soldaten in Afghanistan und Postkartenmotive aus österreichischen Urlaubsorten eingeblendet wurden. Möglicherweise haben die Terroristen versucht, bei dem kleinen österreichischen Kontingent zu erreichen, was im Sommer 2004 mit 51 philippinischen Soldaten im Irak gelang. Terroristen hatten damals gedroht, einen entführten philippinischen Lastwagenfahrer zu ermorden, wenn Manila seine Soldaten nicht aus dem Irak abziehe. Manila zog sich daraufhin rasch aus dem Irak zurück.
Bei dem anderen am Wochenende gesendeten Video der so genannten "Pfeile der Rechtschaffenheit" über die im Irak entführte deutsche Frau mit ihrem erwachsenen Sohn ziehen die Entführer nach Darstellung von Sicherheitskreisen zum ersten Mal eine schon lange befürchtete Verbindung zwischen dem Irak und Afghanistan. Sie fordern den Rückzug der deutschen Soldaten vom Hindukusch.
Bildung einer "islamistischen Internationale" befürchtet
Obwohl die Bundeswehr nicht im Irak vertreten ist, werde eine "Klammer im Sinne einer islamistischen Internationale" hergestellt, erklärten Fahndungsexperten. Es gehe jetzt um die bereits vielfach registrierte weitere "Irakisierung Afghanistans". Darauf würden auch die zunehmenden Selbstmordattentate am Hindukusch hinweisen, die es in den Jahren zuvor dort nicht gegeben habe.
Deutschland drohen nach dem Hinweis des Innenstaatsekretärs und früheren Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), August Hanning, auch Sicherheitsrisiken durch den Rückstrom islamistischer Kämpfer aus dem Irak. "Wir müssen mit feindlichen Kämpfern aus dem Irak rechnen. Wir werden demnächst in Deutschland und in Europa vor diesem Problem stehen", ließ Hanning wissen.
Schäuble: Situation ist gefährlich
Die deutschen Geheimdienste sind inzwischen "hoch alarmiert". Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) ließ keinen Zweifel an der gefährlichen Situation, in der sich Deutschland befindet. Es gebe jedoch gegenwärtig keine konkreten Hinweise auf bevorstehende Terroranschläge in Deutschland. (Von Friedrich Kuhn, ddp)
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