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Politik: Viele Glückwünsche, viele Wünsche

Jürgen Rüttgers hat große Hoffnungen geweckt. Aber er muss in Nordrhein-Westfalen eisern sparen

Nach seiner Rückkehr aus Berlin hat Jürgen Rüttgers am frühen Montagnachmittag jede Menge Glückwunschbriefe in seinem Düsseldorfer Büro gefunden. Viele dieser Schreiben sind ähnlich aufgebaut: Nach den Gratulationen zum überragenden Wahlsieg findet der künftige Ministerpräsident des größten Bundeslandes nicht gerade wenige Wünsche. Die Polizisten wollen mehr Personal und weniger Reformen, die Lehrerverbände brauchen ebenfalls jede Menge neue Stellen, die Gemeinden setzen auf Bürokratieabbau und erwarten, dass der neue Mann nicht auf ihre Kosten spart. Allen Gratulanten ist eines gemein: Sie wollen unter dem Strich mehr Geld.

Spätestens in solchen Momenten wird Jürgen Rüttgers die übergroße Verantwortung spüren, die nun auf ihm lastet. Mitten im Kampf um die Macht in der Republik muss er in Nordrhein-Westfalen das Unmögliche möglich machen. Schon an diesem Freitag wollen CDU und FDP Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Rüttgers hat weniger Schulden versprochen und gleichermaßen angekündigt, dass er auf etlichen Politikfeldern Akzente setzt. 4000 neue Lehrer möchte er einstellen, jede Menge Bürokratie und Personal in der engeren Landesverwaltung abbauen. Dabei weiß Rüttgers schon heute, dass er wenig Spielraum hat.

Seit der jüngsten Steuerschätzung war klar, dass jede neue Regierung in Nordrhein-Westfalen erst einmal einen Nachtragshaushalt auflegen muss. Rund 200 Millionen Euro fehlen im laufenden Jahr, sie müssen zusätzlich eingespart werden. Da die Landesregierung dem Land schon eine harte Runde zugemutet und rund 1,4 Milliarden Euro real unter den Ansätzen der Vorjahre geblieben ist, muss er im herannahenden Bundestagswahlkampf erst einmal noch viel tiefer schneiden, als Rot-Grün es unter heftigem Protest 2004 getan hat. Der Verkauf der West LB, den die Opposition in ihre Rechnungen stets als Allheilmittel eingespeist hat, verbietet sich im Moment, da die Bank in der gegenwärtigen Phase der Restrukturierung kaum das bringt, was sie wert ist.

Natürlich kann er das eine oder andere Lieblingsprojekt der Grünen stoppen. Aber das dürfte kaum genügend bringen, um die neuen Löcher zu schließen. Beim Personal sieht es ähnlich aus. Den richtigen Gedanken, bei den Staatsdienern abzubauen, hatte Rot-Grün auch schon, der öffentliche Dienst schiebt seither 10000 so genannte Kw-Stellen vor sich her, also Stellen, die dann wegfallen, wenn der Amtsinhaber pensioniert wird. Rüttgers will diese Aufgabe auf die Staatssekretäre delegieren: Sie müssen pro Jahr in der engeren Verwaltung 1,5 Prozent an Stellen abbauen, sonst werden sie entlassen. Nach Lage der Dinge wird er auf diese Weise eine hohe Fluktuation bei den Staatssekretären produzieren, der Abbau des Landespersonals dauert länger.

In dieser Lage geistert das Wort vom Kassensturz durch den Landtag. Er soll helfen, Zeit zu gewinnen, hat aber einen Nachteil: Mit Wehklagen über die schlechte Hinterlassenschaft von Rot-Grün wird Rüttgers kaum Aufbruchstimmung erzeugen können. Vor dem Düsseldorfer Parlament stehen neben dem Dank der CDU an die Wähler zwei weitere Plakate. Einmal eine Wüste mitumgestürzten Bäumen und den Hinweisen auf Schulden, Arbeitslose und Stundenausfall an Schulen. Daneben ein kraftstrotzender sauerländischer Fichtenwald mit der Aufschrift: „Aufgeforstet nach dem 22. Mai 2005“. Damit hat er selbst den Erwartungshorizont abgesteckt.

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