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Pussy Riot: Von Putins Gnaden?

In Moskau herrscht Skepsis, ob der Kremlchef wirklich ein mildes Urteil für die Band Pussy Riot will.

Putin fordert Gnade für Pussy Riot. So oder ähnlich überschrieben westliche Medien die Meldungen, wonach der Kremlchef bei seinem Besuch in London am Donnerstag höchstselbst nach christlicher Milde für die drei jungen Frauen – Mitglieder der feministischen Punk- Gruppe – rief. Sie hatten zwei Wochen vor den russischen Präsidentenwahlen im März bei einer Aktion in der Moskauer Christ-Erlöser-Kirche die Gottesmutter angebetet, Putin zu vertreiben. Derzeit wird ihnen der Prozess wegen Anstiftung zu religiösem Hass gemacht. Darauf stehen bis zu sieben Jahre Haft.

„Ich denke, das Urteil sollte nicht zu hart ausfallen“, zitierten russische Nachrichtenagenturen den Kremlchef. Das zu entscheiden, sei jedoch Sache der Justiz. Er hoffe, das Gericht werde zu einem richtigen, gut begründeten Urteil kommen. Die Performance sei „nicht gut“ gewesen, die drei jungen Frauen hätten ihre Lektion aber bereits gelernt.

Einer der Verteidiger sprach bereits von einem möglichen „Wendepunkt“ in dem Prozess, der am Montag begann. Putin sehe sich angesichts der Massenproteste im Westen zu Zugeständnissen genötigt. Bürgerrechtler und Anwälte, die an dem Verfahren nicht beteiligt sind, sind sich da so sicher nicht. Sie fürchten eine taktische Finte: Die Macht habe einen Schuldspruch bestellt, mit öffentlichem Werben für Gnade wolle Putin vor allem den Vorwurf von Regimekritikern im In- und Ausland entkräften, Russlands Justiz sei abhängig und fälle ihre Urteile nicht nach rechtlichen, sondern nach Kriterien politischer Zweckmäßigkeit.

Der bisherige Prozessverlauf deutet in der Tat genau darauf hin. Anträge der Verteidigung, darunter auch die Vernehmung von Entlastungszeugen, schmetterte die Vorsitzende Richterin Marina Serowa ab. Als Belastungszeugen wurden dagegen auch Personen vernommen, die zur Tatzeit nicht am Tatort waren. Auch sollen die drei jungen Frauen offensichtlich zermürbt und eingeschüchtert werden. Einer der Anwälte sprach gegenüber dem russischen Dienst des US-Auslandssenders Radio Liberty daher von Folter.

Bildergalerie: Pussy Riot - Frauenaufstand gegen Putin.

Laut Arbeitsordnung, die auch auf der Website des Moskauer Chamowniki-Gerichtes nachzulesen ist, beginnen die Verhandlungen um 10 Uhr Ortszeit und enden um 18 Uhr. Beim Prozess gegen die Pussy-Frauen dagegen dauerten die Sitzungen schon des Öfteren bis tief in die Nacht. Am Dienstag wurden die Frauen erst gegen zwei Uhr früh in die U-Haftanstalt zurückgekarrt und bereits drei Stunden später wieder geweckt und erneut ins Gerichtsgebäude gebracht. Auch die Pausen fallen extrem kurz aus. Alle drei beklagten sich außerdem, sie würden kein warmes Essen bekommen. Marija Aljochina wurde daher am Mittwoch übel, das Gericht rief eine Notfallambulanz, befand jedoch, Aljochina sei trotzdem in der Lage, den Verhandlungen weiter zu folgen. Und als der Saal am Donnerstag wegen einer Bombendrohung geräumt wurde, gingen alle ins Freie – nur die Angeklagten durften nicht.

35 namhafte russische Anwälte unterzeichneten bereits eine Resolution, in der sie den Prozess als Justizskandal bezeichneten, der die Rechtsgrundlagen des Staates zerstören könne. Elke Windisch

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