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Wagenknechts Querfront-Fest : Wer steckt hinter dem Großprotest gegen Israel?
In Berlin versammelt sich am Samstag eine wilde Mischung, um gegen Israels Krieg in Gaza zu protestieren. Erwartet werden viele BDS-Anhänger und Verschwörungsgläubige.
Stand:
Es könnte voll werden an diesem Wochenende in Berlin-Mitte. Gemeinsam mit Künstlern und Aktivisten aus unterschiedlichen Zusammenhängen lädt Sahra Wagenknecht am Samstag zur Kundgebung „Stoppt den Völkermord in Gaza!“ ein.
Der Küstenstreifen sei „heute der größte Kinderfriedhof der Welt“, heißt es im Aufruf. Weil die Initiatoren und Unterstützer verschiedene Zielgruppen ansprechen, zeigt sich bereits im Vorfeld große Resonanz. Ein Überblick.
Sahra Wagenknecht
Haltung: Die Vorsitzende der Partei „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) gilt als scharfe Israelkritikerin, erkennt aber das Existenzrecht des jüdischen Staats an und fordert die Zwei-Staaten-Lösung.
Entwicklung: Wagenknecht hat ihren Tonfall gegenüber Israel seit den Massakern der Hamas am 7. Oktober 2023 deutlich verschärft. Beobachter sehen Populismus als mögliche Motivation.
Umstrittene Äußerungen: Laut Wagenknecht handelt es sich bei Israels Vorgehen in Gaza um einen israelischen „Vernichtungsfeldzug“ sowie ein „gigantisches Kriegsverbrechen“.
Widerspruch: Der Zentralrat der Juden äußert Kritik am Kurs von Wagenknechts Partei. Diese befeuere mit ihrer „eher populistischen Positionierung den Israelhass in Deutschland“, sagt Zentralratspräsident Josef Schuster. Wagenknecht ziehe „Radikale von allen Seiten an“. Bedenklich sei zudem ihr „Hang zur Verschwörungsideologie“.
Zugkraft: Neben BSW-Anhängern mobilisiert Wagenknecht auch Querdenker, prorussische Verschwörungsgläubige, Esoteriker sowie rechtsoffene Aktivisten, die wie sie selbst die Brandmauer der demokratischen Parteien zur AfD einreißen wollen. Teile dieser Milieus engagieren sich auch innerhalb der Partei.
Dieter „Didi“ Hallervorden
Haltung: Der Komiker war in den vergangenen Jahren in mehrere Skandale verwickelt. 2024 veröffentlichte Hallervorden ein Gedicht, in dem er Israel „Apartheid“ sowie „Völkermord“ vorwarf.
Entwicklung: Zeigt immer weniger Hemmungen, sich von rechten Akteuren einspannen zu lassen. An Ostern ließ er sich als Redner zu einer als „Friedensprozession“ titulierten Querfrontveranstaltung zuschalten. Unter den Teilnehmern befanden sich, wie im Vorfeld angekündigt, haufenweise Rechtsextreme, sowohl von der AfD als auch von den „Freien Sachsen“. Tendenz: Nius-Interview.
Widerspruch: Sohn Johannes rügte Hallervorden für das N-Wort, das der Komiker in der Neuauflage seines Palim-Palim-Sketches untergebracht hatte. Dies sei „absolut unnötig“ gewesen und suggeriere fälschlicherweise, man „dürfe ja nicht mehr sagen, was man denkt“. Dabei solle man lediglich nichts mehr sagen, was andere Menschen kränke und diskriminiere, sagt Johannes Hallervorden: „Und das ist auch richtig so.“
Zugkraft: Der Komiker mobilisiert Merkel- und Ampelhasser, Putinfreunde sowie Menschen, die glauben, sie würden in ihrer Meinungsfreiheit durch den verhassten „Mainstream“ eingeschränkt. Vielleicht kommen auch ein paar Didi-Fans, die Hallervordens Äußerungen der vergangenen Monate noch nicht abgeschreckt haben.
Roger Waters
Haltung: Der Musiker gilt als Ikone der Boykottkampagne BDS und agiert weltweit als wahrscheinlich wichtigster prominenter Unterstützer.
Entwicklung: In den vergangenen Jahren fiel Waters zunehmend durch verbale und performative Entgleisungen auf.
Umstrittene Äußerungen: Waters stellt Israels Existenzrecht infrage und vergleicht den jüdischen Staat mit Nazi-Deutschland.

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Widerspruch: Während der Amtszeit Joe Bidens verurteilte das US-Außenministerium einen Auftritt von Waters als „zutiefst beleidigend gegenüber Juden“. Der Musiker hatte auf der Bühne einen SS-Uniform-ähnlichen Mantel getragen. Waters sagt, das Kostüm sei anders gemeint gewesen.
Zugkraft: Die spannende Frage wird sein, wie viele seiner Fans, die keinerlei Sympathien für BDS oder für Waters sonstige Ansichten haben, jedoch seine Musik schätzen, am Samstag zu den Protesten kommen.
Massiv
Haltung: Im Gegensatz zu vielen anderen Rappern ist der Berliner mit palästinensischen Wurzeln in der Vergangenheit selten durch unreflektiertes Israelbashing aufgefallen.
Entwicklung: Rappte früher gewaltverherrlichend, bleibt hier jedoch seit Jahren unauffällig.
Umstrittene Äußerungen: 2021 verbreitete der Rapper das Foto eines mutmaßlichen israelischen Luftangriffs sowie die Botschaft, dass es keine Unterschiede zwischen Gaza und dem Warschauer Ghetto zur Zeit des Nationalsozialismus gebe. War außerdem am umstrittenen Song „Hausverbot in Tel Aviv“ beteiligt, in dem es unter anderem heißt: „Ich kidnappe eine Boeing und schieß auf deine Family.“ Verbreitete auch ein Posting mit der antisemitischen Lüge, wonach 4000 Israelis am 11. September 2001 im World Trade Center nicht zur Arbeit erschienen seien. Massiv schrieb dazu: „Komisch, oder?“ Die offensichtliche Falschaussage spielt auf die Verschwörungserzählung an, wonach die Anschläge von Juden geplant gewesen seien, die deshalb andere Juden vorab gewarnt hätten.
Widerspruch: Das Posting auf Instagram mit dem Verweis auf das Warschauer Ghetto wurde Massiv von Experten als Relativierung der Shoah ausgelegt.
Zugkraft: Könnte viele Anhänger des Gangster- beziehungsweise Straßen-Hip-Hops anziehen.
Peter Maffay
Haltung: Der Sänger hat sich in der Vergangenheit immer wieder glaubhaft für Frieden im Nahen Osten eingesetzt, trat gemeinsam mit israelischen und palästinensischen Musikern auf, besuchte auch Yad Vashem. Maffay legt Wert darauf, dass Kritik an der aktuellen israelischen Regierung keine Kritik an der israelischen Bevölkerung darstelle.
Entwicklung: Im Juli forderte er den Stopp von Waffenlieferungen an Israel. Davon abgesehen gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass er seine bisherige Haltung verändert oder gar Sympathien mit der radikalen Anti-Israel-Bubble entwickelt haben könnte. Weshalb er ist diesem Umfeld und vor dem zu erwartenden Publikum auftritt, bleibt unklar.
Widerspruch: Kritiker werfen Maffay vor, sich für die Veranstaltung als Feigenblatt herzugeben.
Zugkraft: Maffay füllt Konzerthallen. Das Gros seiner Fans gilt jedoch als unpolitisch.
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