
© dpa/Friso Gentsch
Warnung für Lindner: Es brodelt heftig an der Basis der FDP in NRW
Im größten Landesverband der Liberalen in NRW gab es einen Eklat, die Stimmung in der Partei ist schlecht. Was bedeutet das für die Bundes-FDP?
Stand:
Christian Lindner versucht seiner Partei die Rebellion auszutreiben, noch bevor sie begonnen hat. „Die Zeit der Aufarbeitung endet mit dem heutigen Tag“, ruft er am Samstag vor einer Woche in der Stadthalle in Bielefeld. Die FDP Nordrhein-Westfalen hat zum Landesparteitag geladen. Anders als FDP-Chef Lindner scheinen viele hier zu denken, dass es noch etwas dauern könnte mit der Aufarbeitung.
Das vergangene Jahr war für die FDP schwierig. Bei drei von vier Landtagswahlen haben die Liberalen Stimmen verloren, nirgends so deutlich wie in Nordrhein-Westfalen im Mai 2022. Sie fielen um 6,7 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent. Eine Fünf vor dem Komma – ein Desaster. Dabei ist Nordhrein-Westfalen der größte Landesverband der Liberalen, etwa 20.000 ihrer knapp 78.000 Mitglieder kommen aus dem Westen.
Auf der Bühne sitzt die versammelte Bundesprominenz der Partei: Parteichef Lindner neben Justizminister Marco Buschmann, Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist da und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Johannes Vogel. Sie kommen aus Nordrhein-Westfalen.
Nordrhein-Westfalen strahlt auf den Bund aus
Was hier passiert, hat Auswirkungen auf die gesamte Partei. Dass die Basis nicht findet, dass die Aufarbeitung mit diesem Tag endet, zeigt sich an den Wahlergebnissen des neuen Landesvorstands, besonders an dem des neuen Landesvorsitzenden Henning Höne (35), der bereits Fraktionsvorsitzender im Düsseldorfer Landtag ist.
„Liberale Politik ist gut für zweistellige Ergebnisse“, ruft er während seiner Rede. Er wird mit 54,5 Prozent der Stimmen gewählt, ohne Gegenkandidaten. Ein miserables Ergebnis. An der Basis in Nordrhein-Westfalen brodelt es. Man hört es aber nicht, die Delegierten sprechen in ihren Reden kaum darüber, man sieht es nur an den Wahlergebnissen. Es ist eine stille Wut. Wie konnte das passieren?
Anruf bei Höne ein paar Tage nach dem Parteitag. „Es gibt verschiedene Faktoren“, sagt er. Die Niederlage bei der Landtagswahl, dazu schlechte Umfragen auf Bundesebene. „Mich erreichen jetzt viele Anrufer, die sagen: Dann hätten die unzufriedenen Delegierten einen Gegenkandidaten aufstellen müssen. Dass die Aussprache nicht offen geführt wurde, treibt mich um.“
Höne sagt, es sei wichtig, jetzt „schnell PS auf die Straße zu bekommen“, in die Bezirke und Ortsverbände zu fahren, Hände zu schütteln. „Die Leute sind nicht beschwingt nach Hause gefahren. Jetzt müssen wir daran arbeiten, die Stimmung zu verbessern.“
Am Dienstag auf der Fraktionsebene des Bundestags. Beim offiziellen Teil der Fraktionssitzung ist der Parteitag in Nordrhein-Westfalen dem Vernehmen nach kein Thema, wohl aber am Rande.
Die Leute sind nicht beschwingt nach Hause gefahren.

Henning Höne, neuer Landeschef der FDP in NRW. Der 35-Jährige wurde ohne Gegenkandidaten mit nur 54,5 Prozent der Stimmen gewählt.
Ein Grund, den die Bundestagsabgeordneten ausmachen, ist die lange Zeit ohne Führung. Der frühere Landesvorsitzende Joachim Stamp hatte bereits zehn Tage nach der Wahl im Mai seinen Rücktritt angekündigt, inzwischen ist er designierter Sonderbeauftragter der Bundesregierung für Migration. „Der Landesverband war faktisch über ein halbes Jahr führungslos. Das war sehr schlecht, das hätte man nicht laufen lassen dürfen“, sagt der Abgeordnete Frank Schäffler aus Nordrhein-Westfalen.
Bundesprominenz hat ein Vakuum hinterlassen
Ein weiterer Grund: Die Bundesprominenz, die Nordrhein-Westfalen nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 zu einem der erfolgreichsten Landesverbände aufgebaut hatten, ist inzwischen wieder in Berlin. Sie haben ein Vakuum hinterlassen. Die Partei wächst seit 2017 wieder, aber der Nachwuchs wurde offenbar nicht so aufgebaut, dass er die Lücken hätte füllen können.
Besonders schmerzhaft an der Landtagswahl im vergangenen Jahr war wohl die Ähnlichkeit zu dem Trauma, dass der Partei 2013 auf Bundesebene widerfahren ist. Nach einer Regierungsbeteiligung mit der Union sackte sie ab.
„Loyalität der CDU gegenüber heißt alles andere, als dass die CDU auch nur eine Spur von Loyalität dem Koalitionspartner gegenüber zeigt“, sagt Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Verteidigungspolitikerin und Vorsitzende des Kreisverbands Düsseldorf. Sie hätten ihre Erfolge in der Koalition nicht stark genug vermarkten können.
Das erinnert an ihre Schwierigkeiten auf Bundesebene. Der Abbau der Kalten Progression, der Beschluss zum 49-Euro-Ticket und die weitestgehende Aufhebung der Corona-Beschränkungen im vergangenen Jahr waren FDP-Erfolge. Aber es fiel ihnen aber schwer, sie zu verkaufen, stattdessen wirkten sie oft wie eine Oppositionspartei in Regierungsverantwortung. Doch sie haben wenig Alternativen. Denn mit der CDU zu regieren, das weiß auch die Basis, wäre nicht einfacher.
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