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Daniela Klette mit ihrer Anwältin Undine Weyers im Gericht in Celle.

© AFP/Wolfgang Rattay

Update

„Was hab ich zu erwarten?“: Mutmaßliche Ex-RAF-Frau Daniela Klette äußert sich erstmals vor Gericht

Mit zwei Komplizen soll Klette ab 1999 Geldtransporter und Supermärkte überfallen haben, um das Leben im Untergrund zu finanzieren. Der Prozess startet mit massiven Sicherheitsvorkehrungen.

Stand:

Hunderte schwerbewaffnete Beamte, rigide Einlasskontrollen, schnüffelnde Sprengstoffspürhunde – in Celle hat am Dienstag der Prozess gegen Daniela Klette begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft der 66-Jährigen versuchten Mord, unerlaubten Waffenbesitz sowie schweren Raub in 13 Fällen vor. Dutzende Reporter sind vor Ort, auch aus dem Ausland reisten Kamerateams an. Vor dem Gericht forderten 50 Unterstützer friedlich „Freiheit für alle politischen Gefangenen“.

Daniela Klette, die mit einer Polizeikolonne aus der Untersuchungshaft ins Gericht gebracht worden ist, wurde im Saal in einen Panzerglaskasten platziert. Zunächst wird die Anklage verlesen, detailreiche 600 Seiten.

Die Voraussetzungen für die Führung eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens sind damit nicht gegeben.

Ulrich von Klinggräff, Anwalt von Daniela Klette

Der Staatsanwaltschaft zufolge soll Klette mit Komplizen, mutmaßlich Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, zwischen 1999 und 2016 in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein diverse Geldtransporter und Supermärkte überfallen und über die Jahre insgesamt 2,7 Millionen Euro erbeutet haben.

Laut Anklage bedrohte das Trio dabei Beschäftigte der Firmen mit Schusswaffen oder Elektroschockern, in einem Fall sei auf einen Transporter geschossen worden. Drei frühere Mitarbeiter der Unternehmen treten als Nebenkläger auf. Der Staatsanwalt spricht davon, dass sich Betroffene nach den Überfällen in „stationäre und ambulante Behandlung“ hatten begeben müssen.

 „Propagandistisch aufgeladene Behauptung“

Unmittelbar nach der verlesenen Anklage forderten Klettes Verteidiger, den Prozess einzustellen und den Haftbefehl aufzuheben. Denn ein rechtsstaatliches, faires Verfahren sei verunmöglicht worden. Das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen und die mediale Vorverurteilung ihrer Mandantin trügen alle Anzeichen eines „Terrorismusverfahrens“, sagte Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff, es handele sich eben nicht um ein normales Strafverfahren wegen möglicher Raubtaten.

Man beobachte eine „propagandistisch aufgeladene Behauptung“, die all jenen eine „Killer-Mentalität“ zuschreibe, die einst der 1998 aufgelösten RAF angehört haben sollen. Dass man Klette der RAF zuschreibe, sagte Klinggräff, habe „unmittelbaren Einfluss“ auf das Verfahren.

Zur Verlegung des Prozesses in das größere Gericht in Celle ergänzte der Verteidiger: „Selbstverständlich stellt die Wahl des Verhandlungsortes verbunden mit den immensen Sicherheitsmaßnahmen, die hier betrieben werden, einen Pranger dar und ist hiermit eine Vorverurteilung und auch die Erwartung einer sehr hohen Strafe verbunden.“

Bekannt ist, dass die Sicherheitsmaßnahmen, darunter bestimmte Besuchsverbote für Klette, mit der Geschichte der RAF begründet werden. Das Gericht könne sich nicht von den „RAF-Bezügen“ freimachen, erklärten Klettes Anwälte.

„Die Voraussetzungen für die Führung eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens sind damit nicht gegeben. Das Verfahren gegen Frau Klette ist somit einzustellen und der Haftbefehl aufzuheben.“ Neben Klinggräff vertreten die Anwälte Lukas Theune und Undine Weyers die Angeklagte.

Daniela Klette selbst ergriff schließlich das Wort. Sie bedankte sich bei ihren Unterstützern und beschrieb ihr Leben bis zum Tag der Festnahme als „sehr schön“. Zum Prozess sagte Klette, dass stets klar gewesen sei, dass es sich nicht um ein normales Strafverfahren handeln würde. Das Bild einer marodierenden Bande, allzeit zum Töten bereit, werde absichtlich verbreitet. Und weiter: „Ich bin mir meiner Lage bewusst. Der Prozess wird mit politischem Kalkül geführt, trotz gegenseitiger Behauptungen. Was hab ich zu erwarten?“

Mutmaßliche RAF-Komplizen Staub und Garweg auf der Flucht

Federführend ermittelte die Staatsanwaltschaft in Verden, weil in der Region viele der angeklagten Überfälle verübt wurden. Das Landgericht in der 28.000-Einwohner-Stadt gilt für den umfangreichen Prozess jedoch als zu klein. Der Prozess startet deshalb im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts in Celle. Später soll er in einer umgerüsteten Reithalle in Verden fortgesetzt werden, die niedersächsische Justiz scheut offenbar keine Kosten.

51
Verhandlungstage sind im Prozess gegen Daniela Klette allein 2025 geplant.

Staub, heute 70 Jahre, und der 56-jährige Garweg werden ebenfalls der früheren RAF zugerechnet und befinden sich auf der Flucht. Um die Taten der früheren RAF, deren letzter Generation in den Neunzigern auch Klette angehört haben soll, geht es in dem Prozess in Celle nicht.

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Die Ermittlungen zu den Anschlägen der RAF, insbesondere der Sprengung eines Gefängnisneubaus im hessischen Weiterstadt 1993, führen derzeit Bundeskriminalamt und Generalbundesanwalt.

Klette wurde im Februar 2024 in Berlin festgenommen und befindet sich seitdem in Vechta, Niedersachsen, in Untersuchungshaft. Die Ermittler nahmen die Wohnung, in der die Angeklagte unter falschem Namen lebte, in weiten Teilen mit nach Niedersachsen.

In Hannover bauten sie die Möbel, Accessoires und Geräte wieder auf, mit Scanner und einem KI-Programm werteten die Beamten das Gefundene aus. Schon zuvor in Berlin entdeckten Ermittler in der Wohnung diverse Waffen, Gold und 240.000 Euro Bargeld.

Der Prozess wird bis deutlich ins nächste Jahr dauern. Für 2025 sind 51 Verhandlungstage geplant, 2026 soll der Prozess an zwei Tagen pro Woche fortgesetzt werden.

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