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Das Kommunalwahlprogramm der Alternativen-Grünen-Initiativen-Liste in Göttingen aus dem Jahr 1981.

© TSP

Trittin und die Pädophilie-Debatte: Was im Wahlprogramm von 1981 stand

Der Parteienforscher Franz Walter berichtet von einem Grundsatzprogramm für Kommunalwahlen aus dem Jahr 1981, das Jürgen Trittin damals verantwortete. Welche Forderungen wurden im Programm erhoben?

Ein stacheliger Igel schmückt den Titel des Programms für die Kommunalwahlen 1981. Auf Seite 33 fordert die Alternativ-Grüne-Initiativen-Liste Göttingen (AGIL) im Kapitel „Schwule und Lesben“ Änderungen im Sexualstrafrecht: zum einen die Abschaffung des Paragrafen 175, der damals noch sexuelle Kontakte mit Homosexuellen unter 21 Jahren unter Strafe stellte. Darüber hinaus wird die Forderung erhoben, die Paragrafen 174 und 176 des Strafgesetzbuchs so zu fassen, „dass nur Anwendung oder Androhung von Gewalt oder der Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses unter Strafe stehen“.

Die Paragrafen 174 und 176 regelten, dass sexuelle Handlungen an Kindern unter 14 Jahren verboten sind. Bei Jugendlichen, die jemandem zur Erziehung, Ausbildung oder Betreuung anvertraut worden sind, lag das Schutzalter bei 16 Jahren. Die von der AGIL geforderte Einschränkung hätte also bedeutet, dass Sex zwischen Erwachsenen und Kindern legalisiert worden wäre, wenn er angeblich „einvernehmlich“ gewesen wäre.

Als Schlussredaktion für das Papier mit dem Titel „Ein Programm für Göttingen“ werden fünf Personen angeführt, presserechtlich verantwortlich ist Jürgen Trittin. Der heutige Grünen-Spitzenkandidat war Student und einer der Göttinger Kandidaten für den Stadtrat. Die Forderungen im Kapitel „Schwule und Lesben“ hatte die AGIL damals komplett von der „Homosexuellen Aktion Göttingen“ schreiben lassen, die die Seite auch unterzeichnet hat. Dieses Prozedere sei „nicht ungewöhnlich für die Grünen in dieser Zeit, die sich damals als Sammlungskraft für sehr unterschiedliche Bewegungen verstanden“, analysiert der Politologe Franz Walter. Dazu habe auch gehört, „verschiedensten Gruppierungen als Plattform zu dienen und ihnen Raum zu geben“.

Zu den Forderungen der Schwulenbewegung Anfang der 80er Jahre gehörte nicht nur die Abschaffung des „Schwulenparagrafen“ 175 – eine Position, die auch die FDP im Bundestagswahlkampf 1980 unterstützte. Teile der Schwulenbewegung setzten sich zudem für Einschränkungen der Strafbarkeit bei Sex zwischen Erwachsenen und Kindern ein, manche forderten gar die Abschaffung der Paragrafen 174 und 176. So auch die Jungdemokraten, die Jugendorganisation der Liberalen, die auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz 1980 entsprechende Beschlüsse fassten.

Die Forderung nach einer strafrechtlichen Freistellung von Pädophilie findet sich schon 1980 im ersten Grundsatzprogramm der Grünen im Kapitel „Gegen die Diskriminierung von sexuellen Außenseitern“ – damals noch mit dem Hinweis versehen, dass die Partei sich mit den Auswirkungen dieser Straftatbestände noch intensiv auseinandersetzen müsse. Ab Mitte der 80er Jahre stießen pädophilenfreundliche Positionen bei den Grünen immer stärker auf Kritik, nicht zuletzt durch den Widerspruch von Feministinnen. 1989 distanzierte sich der Bundeshauptausschuss der Grünen schließlich klar von diesen Positionen.

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