
© Screenshot: Instagram / Bearbeitung: Tagesspiegel
Fitnessinfluencer posierte mit Luxusautos: Farhad N. verabschiedete sich vor dem Anschlag von Angehörigen
Der Täter von München kam 2016 aus Afghanistan. Zuletzt war der abgelehnte Asylbewerber mit einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung im Land. Auf Social Media hatte der Bodybuilder zehntausende Follower.
Stand:
Am Donnerstagmorgen raste ein Fahrer mit seinem Auto in eine Menschenmenge in München und verletzte dabei mindestens 36 Menschen, manche davon schwer. Bei dem mutmaßlichen Täter handelt es sich um einen Asylbewerber aus Afghanistan. Auch der Täter wurde bei dem mutmaßlichen Anschlag verletzt und wurde festgenommen.
Der 24-Jährige heißt offenbar Farhad N. und wurde im Januar 2001 in Kabul in Afghanistan geboren. Ende 2016 kam er als unbegleiteter Minderjähriger nach Deutschland und wurde von einer Jugendhilfe-Einrichtung in Obhut genommen.
Inzwischen geht die Polizei von einer islamistischen Gesinnung des Täters aus, wie sie am Freitagmorgen auf einer Pressekonferenz bekanntgab. Bei seiner Festnahme sagte er offenbar „Allahu Akbar“ („Gott ist der Größte“) und fing an zu beten.
Der Täter hat demnach bei einer Befragung bereits eingeräumt, dass er bewusst in die Demo gefahren ist und hat selbst eine religiöse Tatmotivation geäußert. „Ich würde, Stand jetzt, von einer islamistischen Tatmotivation sprechen“, fasste eine Polizeisprecherin am Freitag zusammen.
Keine Hinweise auf Mittäter
Auch bei der Auswertung des Handys von N. konnte eine „gewisse islamistische Ausrichtung“ festgestellt werden. In einem Chat soll er sich von einem Angehörigen mit den Worten verabschiedet haben „vielleicht bin ich morgen nicht mehr da“, sagte die Polizei München weiter. Er bezeichnete sich demnach selbst als religiös und besuchte regelmäßig eine Moschee.
Die Durchsuchung der Wohnung habe jedoch keine Hinweise auf Mittäter oder die konkrete Planung der Tat gefunden. Es gebe zudem noch keine Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe wie dem „Islamischen Staat“. Ob andere Personen von der Tat wussten, ist noch unklar.
Auf einer Pressekonferenz am Freitagmorgen widersprach die Polizei Medienberichten, dass es Hinweise auf aktuelle psychische Probleme bei dem Täter gäbe. Aktuell werde eine psychiatrische Begutachtung durchgeführt, der Täter sei jedoch in Untersuchungshaft und nicht in die Psychiatrie gekommen.
Bayrischer Innenminister korrigiert frühere Angaben
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann korrigierte am Donnerstagabend bereits einige Angaben zu dem Täter. Demnach war er in der Vergangenheit nicht, wie bisher angenommen, aufgrund von Straftaten polizeibekannt – sondern aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Ladendetektiv.
Auf der Pressekonferenz wurde jedoch bekannt gegeben, dass es gegen ihn eine Anzeige wegen Sozialbetrugs gab, die jedoch gegen Geldstrafe eingestellt wurde.
Am Donnerstagmittag hatte der CSU-Politiker zwei Stunden nach der Tat gesagt, der 24-Jährige sei im Zusammenhang mit Ladendiebstählen und Drogendelikten auffällig geworden. Diese Fehlinformationen seien der Kürze der Zeit geschuldet gewesen.
Zunächst hieß es zudem übereinstimmend, dass der Mann nach Ablehnung seines Asylantrags eine sogenannte Duldung vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhalten habe, wodurch seine Abschiebung ausgesetzt wurde. Herrmann sagte dann aber, dass N. doch nicht ausreisepflichtig gewesen sein soll. Er habe eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis von der Stadt München gehabt.
Abschiebung findet 2020 nicht statt
Doch inzwischen ist klar, die Situation ist komplizierter: Im Februar 2017 stellt N. einen Asyl-Antrag. Das hatte er allerdings bereits in Italien getan. Sein Antrag wird abgelehnt. N. klagt dagegen und bleibt im Land.
Wie der „Spiegel“ berichtet, hatte er damals behauptet, von „Mitgliedern einer Bande“ verfolgt zu werden, die seinen Vater umgebracht hätten. Doch die zuständigen Richter urteilten, die Schilderung sei „detailarm und lebensfremd“ gewesen, habe „Unstimmigkeiten“ aufgewiesen und habe „unglaubwürdig gewirkt“. Auch versuchte er eine posttraumatische Belastungsstörung geltend zu machen.
Der Prozess dauert über drei Jahre, schließlich wird die Klage jedoch abgewiesen, wie die „Bild“-Zeitung berichtet. Im Dezember 2020 erhält die Münchener Ausländerbehörde demnach die Mitteilung über die „Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht“ des Afghanen. Da damals die Taliban noch nicht an der Macht waren, wäre eine Abschiebung auch möglich gewesen.
Nach Auslaufen der Duldung bleibt er einfach im Land
Doch N. hat inzwischen eine Duldung bekommen. Warum ist unklar. Zwei „sicherheitspolitische Befragungen“ soll die Ausländerbehörde mit ihm durchgeführt haben. Doch als die Duldung nach zwei Jahren ausläuft, bleibt er wiederum einfach im Land.
Im Oktober 2021 soll er dann eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bis Oktober 2023 erhalten haben. Warum ist wieder unklar. Zuletzt wurde diese bis 22. April 2025 verlängert. Klar wird aber, dass N. langfristig wohl keine Perspektive in Deutschland hat. Wenige Monate vor Auslaufen seiner Aufenthaltsgenehmigung entschließt er sich dann offensichtlich zu seiner Todesfahrt.

© Screenshot: TikTok; Bearbeitung: Tagesspiegel
Die Polizei bestätigte zudem, dass Farhad N. auf Sozialen Medien als Fitness-Influencer mit über 60.000 Followern aktiv war. Auf einem Foto posiert er auf einem auf ihn zugelassenen weißen Mini – der am Donnerstag zur Tatwaffe wurde.
Fitnessinfluencer mit zehntausenden Followern
2024 gewann er offenbar einen deutschen Wettbewerb im Bodybuilding und posiert dort auch mit einer schwarz-rot-goldenen Fahne. Sonst schreibt er immer wieder auch auf Dari-Arabisch und postet auch afghanische Flaggen.
Anfang der Woche hatte er gepostet: „Allah sagte: ‚Wenn ein gläubiger, frommer oder fleißiger Diener ins Grab gelegt wird, wird ein Gebet über seinem Kopf gesprochen.‘“ Am Mittwoch folgt dann sein vorerst letzter Post. Auf Dari schreibt N.: „O Allah, beschütze uns immer“, versehen mit dem Emoji der Kaaba, dem islamischen Heiligtum.
Plante N. bei seiner Fahrt zu sterben? Unklar. Sonst zeigt sein Instagram-Profil keine explizit dschihadistische Ideologie, aber muslimische und afghanische Inhalte. Anders der Blick auf die Liste der Accounts, denen der mutmaßliche Täter auf Instagram folgt: Über 900 Seiten und Profile hat N. dort abonniert, ein Großteil davon mit islamischen Inhalten.
Fitness, teure Autos und Koran-Suren
Darunter sind sowohl bekannte islamistische Prediger, als auch Seiten von islamistischen Organisationen, die regelmäßig Koran-Suren posten. Auf einer der gefolgten Seiten heißt es unter anderem in der Profilbeschreibung, es werden keinen Direktnachrichten von weiblichen Followern beantwortet.
Auch das TikTok-Profil von Farhad N. ist als widersprüchlich zu beschreiben. Während er in seinem Feed vor allem Fotos und Videos aus dem Fitnessstudio und beim Posieren vor teuren Autos und vor Luxusboutiquen veröffentlicht, zeichnen seine reposteten Beiträge ein anderes Bild von ihm.
Es sind fast ausschließlich islamische Inhalte, teils auf Farsi und Arabisch, teils auf Deutsch. „Alles, was du verloren hast, wird Allah mit etwas Schönerem ersetzen“, ist auf einem reposteten Bild von N. zu lesen.
Wie die Polizei mitteilte, gab es zunächst keine Hinweise auf weitere Beteiligte. Die Verdi-Demonstration suchte sich N. nach bisherigem Kenntnisstand offenbar nicht gezielt, sondern zufällig aus. (mit Agenturen)
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