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Sonnenschirme aufklappen, Vorhänge zu: Sonne draußenhalten ist das Gebot der heißen Tage.

© dpa-tmn

Rekordtemperaturen: Wenn Städte ihre Bewohner ersticken

Die Hitzewelle zeigt: Nordeuropas Städte sind für südeuropäische Temperaturen nicht gemacht. Es wird heiß und immer heißer. Sind Keller ein Ausweg? Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Pascale Hugues

Seit einigen Tagen denke ich manchmal, ich bin wieder in meiner Londoner Wohnung mit ihrer imposanten Nachtspeicherheizung, die mich wärmte, als es in England noch weniger Zentralheizungen gab. Platz eins unter den seltsamen Vorrichtungen, die feuchte Mietwohnungen etwas gemütlicher machen sollten: die drei berühmten elektrischen Heizstäbe im offenen Kamin, die man mit einer 1-Pfund-Münze in Betrieb setzte. Meine Heizung war eine große Kiste, die nachts lud und tagsüber ihre Hitze in den Raum ausstrahlte.

In Zeiten der Hitzewelle funktioniert Berlin dem Prinzip nach genau so, nur umgekehrt: Die Wände der Gebäude speichern die Hitze während des Tages und geben sie nachts großzügig wieder frei, während wir uns schlaflos und schwitzend im Bett wälzen. Berlin hat keine Zeit, sich abzukühlen, man schmort in seinen vier Wänden vor sich in. Ganz schön anstrengend!

Die armen Bewohner der Dachgeschosse!

Berlin ist keine südliche Stadt. Die Häuser sind auf den Klimawandel nicht eingestellt: große Fenster ohne Läden, keine Patios. Und ich mag mir die Hölle in den Dachgeschosswohnungen gar nicht erst vorstellen, die in Zeiten der Immobilienspekulation wie Pilze aus den Dächern sprießen.

Dabei ist Berlin noch besser dran als Paris, die eine dicht bebaute, steinerne Stadt ist. In ihren engen Straßen staut sich die Hitze, zwischen den hohen Häuser im Haussmann-Stil weht nicht das geringste Lüftchen, es fehlt an Bäumen und Grünflächen, es gibt zu viel Asphalt, Makadam, Beton. Paris im Sommer ist ein Glutofen, 2,5 Mal so heiß wie im Umland. Einige sagen sogar Temperaturrekorde von 50 °C voraus. Kein Wunder, wenn die Pariser im August aus ihrer Stadt fliehen.

In den französischen Schulen gibt es kein Hitzefrei, diese wunderbare deutsche Erfindung. Jetzt ist allerdings zum ersten Mal das brevet général des collèges, die französische Mittlere-Reife-Prüfung um vier Tage verschoben worden. Grund: die Hitzewelle. Es ist zu heiß zum Denken.

Klagt noch jemand über "faule Griechen"?

Die Berliner haben es gut: Platanen säumen Plätze und schattige Straßen, es gibt Parks, Spielplätze, dunkle Hinterhöfe, wo die Sonne kaum hinreicht, und grüne Brachen, die noch nicht bebaut wurden. Land und Seen sind nicht weit weg. Doch seit Hoch Ulla über uns hinwegrollt, habe ich den Eindruck, Statistin in einem alptraumhaften Science-Fiction-Film zu sein. Das Thermometer steigt und steigt. Ventilatoren sind ausverkauft.

Wie kann man sich retten? Man flieht in die Keller, wie während der Bombardierungen, oder in klimatisierte Geschäfte. Die Kirchen sind große, fromme Kühlschränke und plötzlich wieder gut besucht. Man wechselt sich unter Nachbarn ab, um Bäume und Vorgärten zu bewässern. Man kramt Fächer aus Verkleidungskisten, als sei Fasching im Juni.

Und plötzlich beschweren sich die Leute im Norden nicht mehr über die Leute im Süden. Erinnern Sie sich noch an die Griechenlandkrise? Wie man sich über die „faulen Griechen“ beklagte, die sich, wenn die Sonne am höchsten steht, für den Mittagsschlaf in ihren Häusern verbarrikadieren? Immerhin verdanken wir Ulla ein wenig Völkerverständigung. Also: nichts wie her mit dem Nickerchen, dem Power Nap, dem Turboschlaf und anderem wunderbaren "farniente" am hellichten Tag!

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