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Politik: Wer verliert, hat fast verloren

Bleibt Howard Dean aussichtsreichster Kandidat der Demokraten fürs Weiße Haus? Das wird Montag entschieden

Von Malte Lehming,

Des Moines (Iowa)

Was ist das bloß mit dieser Stadt? Sie ist weder groß noch hübsch, weder zentral gelegen noch attraktiv. Ihr einziger Vorteil: Selbst, wenn es hier im Winter in Strömen regnet, wie am Freitag, kann man durch Des Moines ohne Regenschirm und Kapuze spazieren und wird doch nicht nass. Das Zentrum wird von einem System so genannter „Skywalks“ durchzogen. Die Straßen sind menschenleer, weil alle Passanten oberhalb durch gläserne Röhren gehen. Man muss sich das wie auf einem gigantischen Flughafen vorstellen. Ab und zu taucht an den Seiten ein Geschäft oder Restaurant auf. Ansonsten herrscht wohltemperierte Ödnis.

Dennoch ist Des Moines in diesen Tagen der Nabel Amerikas. Die Hotels sind überbucht. Alle US-Medien haben ihre prominentesten Köpfe entsandt. CNN, Fox News und MSNBC senden Sonderprogramme. Denn Des Moines ist die Hauptstadt des Bundesstaates Iowa. Und in Iowa finden an diesem Montag traditionell die ersten Vorwahlen der beiden großen Parteien zur Bestimmung des Präsidentschaftskandidaten statt. Die Republikaner sind langweilig. Amtsinhaber George W. Bush hat keinen internen Rivalen. Spannend, ja dramatisch hingegen, hat sich die Lage bei den oppositionellen Demokraten entwickelt. Die jüngsten Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Vier der insgesamt acht Anwärter auf die Kandidatur, von denen in Iowa allerdings nur sechs antreten – Ex-General Wesley Clark und Ex-Vizepräsidentschaftskandidat Joseph Lieberman haben wegen Chancenlosigkeit verzichtet –, liegen gleichauf. Alles hängt davon ab, wer den besten Endspurt hinlegt.

Warum ist Iowa so wichtig? Das dünn besiedelte Agrarland entsendet nur 56 der insgesamt 4317 Delegierten, die auf dem Parteitag im Sommer offiziell den Kandidaten küren. Zum Vergleich: Kalifornien schickt 441, New York 284. Doch weil Iowa den Anfang macht, entscheidet sich hier die Dynamik der Auseinandersetzung. Das Schlüsselwort im Amerikanischen heißt „momentum“. Wer nicht in Iowa oder eine Woche später in New Hampshire siegt, kann praktisch das Handtuch schmeißen. Von den letzten 14 Kandidaten der Demokraten und Republikaner haben 13 entweder in Iowa oder New Hampshire gewonnen. Die einzige Ausnahme war „Comeback Kid“ Bill Clinton im Jahre 1992.

Wer sind die vier, die in Iowa gleichauf liegen? Da ist, erstens, der Ex-Gouverneur von Vermont, Howard Dean. Er hat in den vergangenen Tagen leichte Popularitäts-Einbußen verzeichnen müssen, gilt aber immer noch als klarer Favorit. Er hat vor allem Bush-Verächter und Irakkriegs-Gegner mobilisiert. Ein Heer von vor allem jungen, enthusiastischen Anhängern unterstützt in Iowa seinen Wahlkampf. Die ersten Plakate werden dem Besucher am Flughafen entgegengehalten. Deans Favoritenrolle könnte allerdings auch sein größtes Handicap sein. Wenn er gewinnt, wird es heißen „wie erwartet“. Wenn ein anderer gewinnt, ist der Nimbus des steilen Aufsteigers, der als Außenseiter antrat, um das Establishment herauszufordern, angekratzt. Das könnte eine Trendwende einleiten.

Da ist, zweitens, Richard Gephardt, einst Minderheitsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus. Er ist gewissermaßen ihr Müntefering, ein lang gedienter Parteihase. Sein Manko: Er war es, der die Irakkriegs-Resolution ausarbeitete, mit der eine Mehrheit der Demokraten dem Präsidenten die Vollmacht zur Invasion erteilte. Dean weist darauf spöttisch bei jeder Gelegenheit hin. Gephardts Plus: Er ist gut in Iowa durch seine intensiven Gewerkschaftskontakte vernetzt. Er versteht es hervorragend, seine Anhänger zu mobilisieren.

Senator John Kerry aus Massachusetts ist der Dritte im Bunde des Viererduells. Vor dem Aufstieg Deans galt der hochdekorierte Vietnam-Veteran als Favorit. Dann schmierte er in der Wählergunst ab. Auch er hat für den Irakkrieg gestimmt. Seine Frau ist die Erbin des Heinz-Ketchup-Vermögens. Jetzt ist Kerry wieder leicht im Aufwind – ebenso wie Senator John Edwards aus North Carolina, der einzige Südstaatler im Quartett. Er hat versucht, wie einst Clinton, sich ein frisches, jugendliches, unverbrauchtes Image zuzulegen. Im Weißen Haus war er deshalb ursprünglich als Bushs schwierigster Gegner eingeschätzt worden. Edwards hat es bislang geschickt vermieden, seine Rivalen anzugreifen. Er will nicht die Wut auf Bush nähren, sondern eine positive Vision verbreiten.

Die große Unbekannte in Iowa ist die Wahlbeteiligung. Weil die Wähler im hohen Maße elektrisiert sind, wird ein Rekord erwartet. „Es ist die härteste, aufregendste Vorwahl in unserer Geschichte“, sagt Chet Culver, der zweithöchste Mann im Bundesstaat. Der Montagabend wird ein Großereignis.

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