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Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), spricht bei einer Veranstaltung.

© Imago/Frank Peter

„Wir brauchen mehr Solidarität der Alten“: DIW-Chef Fratzscher fordert ein verpflichtendes Dienstjahr für Rentner

Wie kann das Land seine großen Probleme lösen? Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung will ältere Menschen stärker in die Pflicht nehmen – auch bei der Bundeswehr.

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Deutschland debattiert, wie die anstehenden großen Probleme gelöst werden können. Dabei geht es auch darum, die Sozialsysteme zu sichern und angesichts der veränderten Sicherheitslage die Bundeswehr zu stärken. Im Fokus steht die Frage, ob ein verpflichtender Wehrdienst eingeführt werden muss, um genug Personal für die Truppe zu gewinnen. Dabei könnten auch ältere Menschen eine Rolle spielen.

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) macht nun einen Vorschlag, wie die Lasten in der Gesellschaft zwischen Alt und Jung besser und gerechter verteilt werden könnten. „Wir sollten ein verpflichtendes soziales Jahr für alle Rentnerinnen und Rentner einführen“, sagte Marcel Fratzscher dem „Spiegel“. „Gesundheitlich werden das manche nicht können, aber dafür gibt es auch bei jungen Leuten Regelungen“, so der Wirtschaftsexperte.

Wir brauchen eine fairere Verteilung der Lasten.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung

Die ältere Generation müsse sich gesellschaftlich „stärker einbringen, beispielsweise im Sozialbereich, aber auch bei der Verteidigung“. Die Bundeswehr würde dann von den technischen Fähigkeiten vieler Rentner profitieren. „Warum sollten wir die nicht nutzen, gerade von Leuten, die früher bei der Bundeswehr ausgebildet wurden“, fragte Fratzscher.

Ihn störe an den aktuellen Diskussionen über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht für junge Erwachsene, „dass wir die Lösung unserer Probleme häufig schematisch den Jungen aufbürden“. Die jungen Generationen seien aber bereits stark durch steigende Sozialabgaben und die Folgen des Klimawandels belastet. „Wir brauchen eine fairere Verteilung der Lasten. Wir brauchen mehr Solidarität der Alten mit den Jungen“, sagte Fratzscher, der seit 2013 Präsident des DIW ist.

Keine Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen

„Wir sind gerade auf einem nicht nachhaltigen Pfad unterwegs – und das in jeglicher Hinsicht. Beim Klima, bei der Umwelt.“ Gefragt werden müsse, ob wir in Zukunft noch in Frieden leben können. „Es wird künftigen Generationen schlechter gehen, und das sieht auch die große Mehrheit der Älteren so. Darum brauchen wir einen neuen Generationenvertrag.“

Deutschland hatte die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 ausgesetzt. Die Möglichkeit, Männer ab 18 Jahren zum Dienst in den Streitkräften zu verpflichten, steht aber weiter im Grundgesetz. Eine Ausweitung der Wehrpflicht auf Frauen hatte die Bundesregierung kürzlich ausgeschlossen. Derzeit debattiert die schwarz-rote Bundesregierung über den von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) vorlegten Gesetzentwurf zur Wehrdienstreform.

Von den Jungen zu erwarten, dass sie im Ernstfall allein das Land verteidigen, ist nicht gerecht.

Klaus Hurrelmann, Soziologe

Zuvor hatte sich auch der Soziologe Klaus Hurrelmann für ein Pflichtjahr am „Ende des Arbeitslebens“ starkgemacht. „Von den Jungen zu erwarten, dass sie im Ernstfall allein das Land verteidigen, ist nicht gerecht“, sagte der 81-jährige Generationenforscher im Juli dem Magazin. Vielmehr sollten gesellschaftliche Aufgaben wie die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit von allen Generationen getragen werden.

Alternativ sei denkbar, das Alter für den Renteneintritt flexibel zu halten, sagte der Soziologieprofessor: „Wer fit ist, könnte durchaus länger arbeiten. Mit 65 – oder oft genug schon mit 63 – sind die Leute plötzlich nur noch Privat- und Urlaubsmenschen. Was ist denn das für ein Konzept?“

Insgesamt müsse die Gesellschaft aufpassen, dass sie nicht in eine Schieflage gerate. „Junge Menschen tragen das Rentensystem, obwohl nicht klar ist, ob und wie viel sie später selbst davon haben werden. Sie müssen auch diese immensen Schuldenberge abtragen, die wir ihnen gerade aufbürden“, sagte der Soziologe. (lem)

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