zum Hauptinhalt
Jette Nietzard ist Sprecherin der Grünen Jugend.

© dpa/Michael Kappeler

„Wir glauben Betroffenen“: Grüne Jugend sieht im Fall Gelbhaar keinen Grund für Unschuldsvermutung

Die Unschuldsvermutung gelte nur vor Gericht, aber nicht in einer Partei, argumentiert die Sprecherin der Grünen Jugend. Bedauern, dass im Fall Gelbhaar Lügen verbreitet wurden, äußert sie nicht.

Stand:

Jette Nietzard klingt etwas süffisant, als sie von selbst auf die Causa Stefan Gelbhaar zu sprechen kommt: „Das Thema interessiert Sie ja alle brennend“, sagt die Sprecherin der Grünen Jugend am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin. Eigentlich soll es um Anträge zum Wahlprogramm gehen, das auf dem Grünen Parteitag am Wochenende verabschiedet wird. Doch die – zumindest teilweise – erfundenen Belästigungsvorwürfe gegen den Pankower Bundestagsabgeordneten überschatten in diesen Tagen den gesamten Wahlkampf der Grünen.

Am Mittwoch positioniert sich die Spitze der Grünen Jugend in dem Fall nun relativ eindeutig. „Es gilt als feministische Partei, Betroffenen zu glauben“, sagte Nietzard. „Wo Macht existiert, wird Macht missbraucht“, so die Grüne-Jugend-Chefin weiter. Das passiere auch in einer feministischen Partei, sagte Nietzard und erwähnte, sie selbst sei ebenfalls schon betroffen gewesen.

„Was es aber bedeutet, in einer feministischen Partei zu sein, ist, dass Betroffenen geglaubt wird“, sagte Nietzard weiter. Zwar wollte sie sich nicht zu Einzelheiten im Fall des Berliner Abgeordneten äußern, doch sie unterstellte ihm Fehlverhalten: „Stefan Gelbhaar ist nicht der einzige Mann, der in dieser Partei – oder in jeder anderen Partei – Fehler begangen hat. Wie groß diese sind, [...] weiß ich nicht.“

Die Unschuldsvermutung gilt immer vor Gericht. Aber wir sind eine Organisation.

Die Sprecherin der Grünen Jugend, Jette Nietzard, über den Fall Gelbhaar.

Nietzard argumentierte weiter: „Die Unschuldsvermutung gilt immer vor Gericht. Aber wir sind eine Organisation, und wir sind kein Gericht.“ Es gelte „nicht unbedingt moralisch das Gleiche wie gerichtlich“. Als Beispiel führt sie die Fälle Luke Mockridge und Thilo Mischke an. „Da wurden Männern Sendungen weggenommen, weil sich eine moralische Bewertung eben von einer gerichtlichen oder juristischen Bewertung unterscheiden kann“, sagt Nietzard.

27.09.24

Dass in mindestens einem Fall schwerwiegende Vorwürfe offensichtlich frei erfunden waren, thematisierte Nietzard, die selbst dem Berliner Landesverband angehört, nicht. Auch auf Nachfrage wollte sie kein Wort des Bedauerns äußern, dass die Belastungszeugin Anne K. offenbar gar nicht existiert.

Die Beschuldigte, Shirin Kreße, gilt bei der Grünen Jugend als gut vernetzt und war von der Nachwuchsorganisation auch bei ihrer Wahl in das Bezirksverordnetenparlament in Mitte unterstützt worden. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe legte Kreße ihr Mandat nieder und trat aus der Partei aus.

Die mögliche Intrige gegen Gelbhaar erschüttert die Grünen seit Tagen. Der Sender RBB hatte über Belästigungsvorwürfe gegen ihn berichtet, musste dann aber seine Berichterstattung zum Teil zurückziehen. Gelbhaar hatte alle Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Die Geschehnisse soll nun eine Kommission bei den Grünen aufklären, die auch die aktuellen Verfahren der Ombudsstelle für solche Fälle auf den Prüfstand stellen soll.

„Ein Ombudsverfahren in einer Partei ist auch nie dafür da, juristische Klarheit oder eine Aufklärung von Geschehnissen zu machen, sondern es ist ein Gesprächsangebot an beide Personen“, sagte Nietzard. Für die Zukunft sei das aber wünschenswert: „Natürlich wünschen wir uns, dass künftige Verfahren so gestaltet sind, dass sie zur Aufklärung beitragen.“ Zudem müsse die Ombudsstelle künftig im Falle mehrfacher Meldungen diese gebündelt an den Parteivorstand geben können, damit auch politische Konsequenzen folgen könnten. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })