
© dpa/Bernd von Jutrczenka
Wirtschaftsweise erwarten flaue Konjunktur: Was das für den Etatstreit der Ampel bedeutet
Nur etwas mehr Wachstum, weiterhin hohe Inflation, höherer Zins – die Aussagen des Sachverständigenrats stützen die Linie von Finanzminister Lindner
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„Ein milder Winter macht noch keinen Frühling“ – so haben die fünf Wirtschaftsweisen am Mittwoch die Pressemitteilung zu ihrer neuen Konjunkturprognose überschrieben. Und er beendet wohl auch den Etatstreit in der Ampel-Koalition nicht. Aber wie es aussieht, hat der Bundesfinanzminister ganz gute Argumente in den Gesprächen mit den Kabinettsmitgliedern.
Weiterhin eher geringes Wachstum, damit keine Aussicht auf deutlich höhere Steuereinnahmen, die Inflation nachhaltig hoch, weshalb die Zinsen erst einmal nicht fallen werden – das passt zur Linie von Christian Lindner, eher auf die Bremse zu treten bei den geplanten Ausgaben im Bundeshaushalt für 2024.
Die neue Prognose des Sachverständigenrats unter Leitung der Münchener Ökonomin Monika Schnitzer fällt zwar etwas besser aus als im Herbst. Aber die nun vorausgesagten 0,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr und der Anstieg von 1,3 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2024 sind alles andere als ein Aufschwung.
Da könnte die Regierung nun zwar auf die Idee kommen, dass ein bisschen Konjunkturbelebung durch mehr staatliche Ausgaben helfen könnte. Aber da ist eben die hartnäckige Inflation: 6,6 Prozent wird sie nach Ansicht der Wirtschaftsweisen in diesem Jahr betragen, nur etwas weniger als im Vorjahr, und erst 2024 wird sie demnach auf drei Prozent fallen – ein höherer Wert, als zuletzt vielfach angenommen worden war. Und höhere Ausgaben des Bundes zur Konjunkturankurbelung, das hat Lindner schon mehrfach klargemacht, könnten die Inflation mittelfristig noch etwas höher ausfallen lassen.
Dass die Wirtschaftslage trotz der leichten Aufhellung flau bleibt, führt die Beraterrunde der Bundesregierung auf die Kaufzurückhaltung der Verbraucher zurück. Obwohl die Einkommen deutlich steigen – nach der Prognose um 5,9 Prozent in diesem und um 4,5 Prozent im kommenden Jahr -, bleibt es angesichts der hohen Preissteigerung vorerst dabei, dass Reallohnverluste vorherrschen.
Auch der höhere Zins dämpft die Kauflaune. Aber ohne mittelfristig höhere Zinsen geht die Inflation nicht zurück – das sehen auch die Wirtschaftsweisen so, die den Kurs der Europäischen Zentralbank stützen.
Das Szenario, das der neue Bericht des Sachverständigenrats aufmacht, dürfte Lindner zu nutzen wissen. Laut einem Papier aus dem Finanzministerium, das passenderweise am Tag vor der Pressekonferenz der Ökonomen in Berlin kreiste, rechnet der FDP-Chef mit keinen größeren Zuwächsen bei den Steuereinnahmen im kommenden Jahr, aber mit „erheblichen Zinsmehrausgaben“.
Der inflationsbedingte Kaufkraftverlust belastet die Konjunktur.
Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats
Zudem hat die Koalition schon einige kostenträchtige Projekte auf den Weg gebracht, etwa das Bürgergeld, das höhere Wohngeld. Lindners FDP hat zudem den Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer durchgesetzt – was einerseits zu Mindereinnahmen beim Staat führt, andererseits aber den Kaufkraftverlust bei den Bürgern ausgleicht.
FDP fordert Priorisierung
Derzeit muss die Ampel, folgt man dem Papier aus dem Finanzministerium, eine Deckungslücke von 14 bis 18 Milliarden Euro im Etatentwurf füllen. Lindner drängt daher zum Sparen. Christoph Meyer, FDP-Fraktionsvize im Bundestag, sekundiert: „Wir müssen alle Ausgaben im Haushalt prüfen und priorisieren. Die Einnahmen sind nicht das Problem, sondern die überzogenen Forderungen der Ministerien. Noch mehr Staatsausgaben und Subventionen werden Deutschlands Probleme nicht lösen.“ Gegen die schwachen Konjunkturdaten helfen laut Meyer bessere Wettbewerbsbedingungen und Entlastungen der Unternehmen und Steuerzahler, wie er dem Tagesspiegel sagte.
Ausgaben über mehr Kredite zu finanzieren, lehnt Lindner bekanntlich ab. Aber die Ampel hat sich im Wirtschaftsstabilisierungsfonds eine massive Schuldenrücklage zur Finanzierung der Energiepreisbremsen geschaffen. 200 Milliarden Euro an Kreditermächtigungen sind dort vorgesehen.
Da der Winter aber milde war und Strom- und Gaspreise nicht ganz so massiv gestiegen sind, wie im Vorjahr zu befürchten war, muss der Bund nicht annähernd so viel Geld für die Preisbremsen ausgeben. Bis zu 15 Milliarden Euros sind es bisher wohl nur, davon gehen die Wirtschaftsweisen aus. So sind die restlichen Kreditermächtigungen zweifellos ein Objekt der Begierde bei SPD und Grünen, wenn es darum geht, die Deckungslücke zu füllen.
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