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Politik: Wladimir Putin: Über ihn machen die Russen keine Witze

Das schaffte vor Wladimir Putin noch kein russischer Politiker: Als Boris Jelzin ihn vor einem Jahr zum Premier ernannte, wollten den damaligen Sicherheitschef knapp zwei Prozent als neuen Kremlchef sehen. Gewählt wurde er Ende März mit knapp 52 Prozent.

Das schaffte vor Wladimir Putin noch kein russischer Politiker: Als Boris Jelzin ihn vor einem Jahr zum Premier ernannte, wollten den damaligen Sicherheitschef knapp zwei Prozent als neuen Kremlchef sehen. Gewählt wurde er Ende März mit knapp 52 Prozent. Gegenwärtig vertrauen ihm sogar noch mehr - 70 Prozent.

Eine Traumquote, die Jelzin oder Gorbatschow nie auch nur annähernd erreichten. Trotz Tschetschenien, wo im Monatsdurchschnitt mehr russische Soldaten fallen als seinerzeit in Afghanistan und im ersten Kaukasusfeldzug. Putins Krieg ist populär und momentan der einzig verlässliche Gradmesser für die Befindlichkeit der Nation. Denn beim Ausstieg aus wirtschaftlicher Dauerkrise und sozialer Misere kam Putin bisher über Absichtserklärungen nicht hinaus. Während unter Jelzin für die Opposition - Kommunisten wie Demokraten - kein Anlass zu banal war, um Fehlleistungen des Kremls genüsslich zu zerpflücken, regiert Putin ohne nennenswerte Widerstände. Russlands Provinzfürsten, die gegen Jelzin mehrfach den Aufstand probten, stimmten unter Putin mit überzeugender Mehrheit für ein Paket von Gesetzen zu ihrer eigenen Entmachtung. Sogar die Oligarchen versuchen, sich der neuen Macht anzudienen.

Nicht nur durch Quantität, sondern durch Qualität der Zustimmung für seine Politik, sagt Sergej Markow vom Institut für politische Studien, sei Putin schon nach einem Jahr, was Jelzin nie schaffte: Präsident aller Russen. Jelzins Persönlichkeit und sein Schattenboxen gegen die Kommunisten spalteten die Gesellschaft in zwei Lager.

Putin, über den - hier zu Lande ein Novum - nicht einmal Witze kursieren, integriert schon dadurch, dass er kaum Angriffspunkte bietet. Seine KGB-Vergangenheit empfinden die Massen nicht als Makel, sondern als Gütesiegel.

Dazu kommt, dass Putins Politik noch immer von mehreren Interessengruppen gemacht wird. Das Ende dieser Ära, meint Politikwissenschaftler Markow, sei jedoch nahe, und dann würden "die vom Kreml verworfenen Alternativen die intellektuelle Basis für eine durchaus ernst zu nehmende Opposition abgeben".

Deren Stunde könnte schon im Herbst schlagen. Die kritische Tageszeitung "Sewodnja" berichtete jüngst Details eines Plans, der nach Behauptung der Blattes gegenwärtig im Präsidentenpalast geschrieben wird. Danach soll der vorwiegend aus Militärs bestehende Sicherheitsrat zum eigentlichen Machtzentrum ausgebaut werden, der sämtliche strategische Entscheidungen in Politik und Wirtschaft trifft. Bei der ebenfalls für Herbst geplanten Reform der Duma sollen nur noch 100 bis 150 der insgesamt 450 Abgeordneten über Parteilisten gewählt werden. Gegenwärtig sind es die Hälfte. Einschlägige Intentionen bestätigte Wahlkommissionschef Weschnjakow.

Damit kommt Putin seinem Ziel näher: Einem Zwei-Parteiensystem aus der kremltreuen Einheitspartei und den Kommunisten. Zumal kleinere Bewegungen an dem rigiden neuen Parteiengesetz scheitern dürften, das ebenfalls für Herbst geplant ist. Zugelassen werden sollen nur noch Parteien mit mindestens 7000 eingeschriebenen Mitgliedern in jeder der 89 Regionen. Der Plan, so "Sewodnja" sei nicht neu. Schon im Vorfeld der Präsidentenwahlen im Sommer 1996 hätten Kremlbeamte erwogen, Jelzin mit diktatorischen Vollmachten auszustatten. Das Vorhaben sei jedoch an dessen schwacher Gesundheit gescheitert.

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