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Ein Karton mit einer Friedenstaube hält eine Frau bei der Demonstration des Bündnisses "Ein Europa für Alle - Deine Stimme gegen Nationalismus!".

© Paul Zinken / dpa

Zeichen gegen internationale Straflosigkeit: EU soll Menschenrechtsverletzungen gemeinsam sanktionieren

In einer Zeit des Erstarkens populistischer Kräfte muss Europa einheitlich die Menschenrechte garantieren – und dafür die Reihen schließen. Ein Gastbeitrag.

Die Europäische Union hat sich dem Schutz der Menschenrechte verpflichtet. Das verlangt einerseits, dass die EU Menschenrechte in ihren eigenen Handlungen achtet und andererseits, dass die EU gewährleistet, dass auch europäische Mitbürger sie nicht verletzen.

Das erfordert aber auch, dass wir solche Personen am Betreten des Raumes der Europäischen Union hindern sollten, die Menschenrechte eben nicht achten. Und nicht nur das. Die EU sollte ebenso wie die Bundesrepublik Deutschland gezielt Sanktionen verhängen können gegen solche Einzelpersonen, die Menschenrechte nach wie vor missachten. Gezielte Sanktionen würden die Verantwortlichen empfindlich treffen, die Zivilbevölkerung des jeweiligen Heimatlandes dafür aber eher schonen.

Sanktionen könnten das Einfrieren von Konten umfassen, Einreiseverbote, die Nutzung europäischer Airlines und Geschäftsbeziehungen mit europäischen Banken könnte man erschweren oder sogar unmöglich machen. Die Folgen gerade für einflussreiche und sich häufig einer internationalen Gerichtsbarkeit entziehenden Einzelpersonen wären beträchtlich.

Der Vorstoß des Europäischen Parlaments vom März dieses Jahres kommt hier zur richtigen Zeit. Mit bemerkenswerter Mehrheit wurde für die Einführung eines EU-weiten Sanktionsmechanismus gegenüber Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen entschieden. Eine Initiative, die maßgeblich auf den Fall des russischen Anwalts Sergei Magnitsky zurückgeht, der nach der Aufdeckung eines Steuerskandals inhaftiert und durch Folter in russischer Haft starb. Es ist deshalb kein Zufall, dass der unter US-Präsident Barack Obama in Kraft getretene amerikanische Sanktionsmechanismus zu diesem Zweck den Namen „Global Magnitsky Act“ trägt. Es muss auch uns ein europäisches Anliegen sein, einen solchen Sanktionsmechanismus zu schaffen. Aus mehreren Gründen.

Auch in EU sind Menschenrechtskonventionen unter Druck

In einer Zeit des Erstarkens populistischer Kräfte brauchen wir die einheitliche Überzeugung für die Achtung und die Garantie der Menschenrechte einzustehen und so die Reihen der EU in dieser Frage zu schließen. Denn auch in Europa gibt es Staaten, in denen die Einhaltung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgehaltenen Rechte nicht mehr so selbstverständlich ist wie noch vor wenigen Jahren. Mit einem einheitlichen Sanktionsmechanismus schärfen wir so auch das innereuropäische Bewusstsein für Menschenrechte.

Europa ist nicht nur eine Wirtschafts-, sondern vor allem eine Wertegemeinschaft, die eine entscheidende Rolle in der Welt einnimmt und ihre Rolle als Verfechter der Menschenrechte weiter wahrnehmen muss. Wenn Autokraten ohne Rücksicht ihre Politik durchsetzen, alte Bündnisse aufs Spiel setzen und multilaterale Institutionen in Frage stellen, ist dieses Instrument entscheidend, um gezielt diejenigen zu treffen, die tatsächlich verantwortlich sind für die Verletzung von Menschenrechten.

Die Wirkung und die Anwendbarkeit des Mechanismus müssen wir zum Anlass nehmen, diesen nicht nur auf die EU zu beschränken. Im Sinne des Multilateralismus geht es darum, ein entscheidendes Zeichen gegen internationale Straflosigkeit und für eine konsequente Durchsetzung der Achtung von Menschenrechten weltweit zu setzen.

Russland und Türkei nicht belohnen

Als diplomatisches Forum steht auch der Europarat genau vor dieser Herausforderung. Es kann nicht im Interesse des Europarates sein, Staaten wie Russland und die Türkei zu belohnen, die sich durch die Nicht-Umsetzung von Menschenrechtsurteilen oder die Verweigerung von Mitgliedsbeiträgen am wenigsten an die Regeln halten.

Die Integrität des Europarates mit seiner jetzt 70-jährigen Geschichte und dem von seinen Mitgliedstaaten auferlegten Auftrag ist unabdingbar, um gemeinsam universelle Werte zu verteidigen. Es ist politisch hier besonders wichtig die Arbeit der Menschenrechtskommissarin und der Venedig-Kommission zu stärken. Die Integrität einer hochangesehenen Institution steht sonst auf dem Spiel.

Aber auch Deutschland darf jetzt nicht abwarten. Besonders der Bundesregierung fällt die Aufgabe zu, Menschen, die für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, selbst direkt zu sanktionieren. Gehen wir also voran und schaffen wir auch bei uns die Grundlage dafür, Menschenrechtsverletzer empfindlich treffen zu können. Alles in dem Bewusstsein, genau jetzt die notwendigen Schritte dafür zu gehen.“

Gyde Jensen ist Ausschussvorsitzende für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im Deutschen Bundestag, menschenrechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion und Leiterin der FDP-Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Gyde Jensen

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