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In Butscha wird ein Leichensack transportiert

© Emilio Morenatti/AP/dpa

Einsatz von Waffe aus dem Ersten Weltkrieg: Zivilisten in Butscha wurden offenbar von Metallpfeilen durchbohrt

Fléchettes mit Widerhaken werden heutzutage im Krieg nahezu nicht mehr verwendet. Gerichtsmediziner haben sie jetzt aber bei Leichen in Butscha entdeckt.

Dutzende Zivilisten sollen während der russischen Besatzung der ukrainischen Stadt Butscha laut Gerichtsmedizinern durch winzige Metallpfeile aus Granaten getötet worden sein. Der Granaten-Typ werde demnach von der russischen Artillerie verwendet. Das berichtet die britische Zeitung „Guardian“.

Pathologen und Gerichtsmediziner hätten Leichen in Massengräbern in der Region nördlich von Kiew obduziert und dabei sogenannte Fléchettes in den Köpfen und in der Brust der Opfer entdeckt. Unabhängige Waffenexperten sollen die Bilder der in den Leichen gefundenen Metallpfeile auf Fotos ebenfalls als Fléchettes bestätigt haben.

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„Wir haben mehrere sehr dünne, nagelähnliche Objekte in den Körpern von Männern und Frauen gefunden, ebenso wie andere meiner Kollegen in der Region“, sagte der ukrainische Gerichtsmediziner Vladyslav Pirovskyi dem „Guardian“. Es sei sehr schwer, diese Gegenstände in den Leichen zu finden, weil sie so dünn seien. Er versicherte aber: „Die meisten dieser Leichen stammen aus der Region um Butscha und Irpin.“

So funktionieren Fléchettes:

  • Die kleinen Metallpfeile stecken in Panzer- oder Feldgeschützgranaten.
  • Jede Granate kann bis zu 8.000 Fléchettes enthalten.
  • Nach dem Abfeuern explodieren die Granat-Geschosse.
  • Die typischerweise zwischen drei und vier Zentimeter langen Fléchettes lösen sich von der Granate.
  • Die Minipfeile verteilen sich in einem kegelförmigen Bogen von etwa 300 m Breite und 100 m Länge.
  • Beim Aufprall auf den Körper des Opfers verbiegt sich der Pfeil oftmals zu einem Widerhaken.
  • Zudem bricht das aus vier Flossen bestehende Ende des Pfeils oft ab – und verursacht so eine zusätzliche Wunde.

Obwohl Menschenrechtsgruppen seit langem ein Verbot von Fléchettes-Granaten fordern, ist diese Munition nach internationalem Recht nicht verboten. Der Einsatz unpräziser tödlicher Waffen in dicht besiedelten zivilen Gebieten ist jedoch ein Verstoß gegen Humanitäres Recht.

Fléchettes wurden vor allem im Ersten Weltkrieg eingesetzt, weil sie die Stahlhelme durchschlagen konnten. Während des Zweiten Weltkriegs wurden sie kaum verwendet, dafür jedoch wieder im Vietnamkrieg. Heutzutage werden weltweit fast gar nicht mehr eingesetzt.

Die „Washington Post“ hatte vor gut einer Woche unter Berufung auf Augenzeugen berichtet, die russische Artillerie habe vor ihrem Rückzug aus dem Gebiet um Butscha Ende März Fléchette-Pfeile abgefeuert. Sie waren in das Metall eines parkenden Autos eingedrungen. (Tsp)

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